(Quelle: http://www.baeuerliche-notgemeinschaft.de/ )
Die Redaktion erreichte ein Augenzeugenbericht von Ute Lampe:
Montag, 28. November 2011 - Zwar sind die 11 Castoren des diesjähringen Atommülltransportes in Dannenberg angekommen, aber ein Ende des Protestes ist noch nicht in Sicht. Denn, nachdem es heute kurz vor halb 10 Uhr auf dem Castorticker noch hieß, der fünfte Castorbehälter sei verladen und mit dem sechsten werde begonnen, war wenige Min. später zu lesen: „Greenpeace-Aktivisten protestieren in Klein Gusborn auf der Südroute der Castorstrecke“. Mit einem Kleintransporter hatten sich zwei Greenpeace-Aktivisten bei Klein Gusborn, ähnlich wie beim Castortransport 2010, auf der Straße verankert. Das Fahrzeug kann nicht bewegt werden, ohne dass es zu Verletzungen der AktivistInnen kommt.
Den größten Coup landete allerdings am frühen Sonntag morgen die Bäuerliche Notgemeinschaft. Sie hatte eine der berühmt berüchtigten Pyramiden bei Hitzacker auf die Gleise geschafft. Innerhalb der Pyramide waren 4 Mitglieder der Notgemeinschaft an den Armen miteinander verkettet. Ein einfaches Anheben oder Verrücken der Pyramide würde...
...zu Verschiebungen der Schichten innerhalb der Pyramide und damit zu Verletzungen der Verketteten führen; eine Wendische Ingenieurstechnische Meisterleistung also. Gegen 21 Uhr kam die Meldung über den Castor-Ticker, dass die Polizei die Arbeiten an der Betonpyramide eingestellt hätte und auf Verhandlungen setzen würden.
Die Forderungen der Bäuerlichen Notgemeinschaft an den Bundesumweltminister waren:
1. Sofortiger Baustopp im Gorlebener Salzstock,
2. Sofortiger Stopp aller Castortransporte nach Gorleben, bis der Umgang mit dem deutschen Atommüll in einem geregelten Verfahren geklärt ist.
Allerdings hatten die technischen Arbeiten der Polizei Schichten im Innern der Pyramide verschoben, so dass Verletzungen für die Verketteten drohten. Aufgrund dessen entschieden die 4 mit ihren Betreuern die Aktion nach mehr als 14 Stunden abzubrechen. Trotz dieses unfreiwilligen Schrittes war diese Blockade ein riesiger Erfolg. Zeigt sie doch einmal mehr, wozu die Menschen im Wendland in ihrem Protest bereit sind und dass der Widerstand weiterhin voller Überraschungen bleibt.
Verbale Angriffe von Seiten der Polizeiführung, die Bäuerliche Notgemeinschaft hätte verantwortungslos gehandelt und ihre Mitglieder mit dieser Aktion gefährdet, wies diese auf der Pressekonferenz am Morgen in aller Schärfe zurück. Sie hatte mehrfach und in aller Deutlichkeit darauf hingewiesen, dass die 4 Mitglieder sicher sind, so lange keine unsachgemäßen Handlungen an der Konstruktion erfolgen. Jedoch hatte die Polizei Steine von unten weggezogen, so dass die Schichten ihre Stabilität verloren.
Auf dieser Pressekonferenz aller Aktionsgruppen machte Greenpeace deutlich, dass eine erhöhte Strahlung beim Verladen der Behälter gemessen wurden. Die Atomexperten von Greenpeace wurden nur bis auf eine Entfernung von etwa 14 Metern an die Behälter heran gelassen, konnten aber dort noch eine Neutronenstrahlung von 4,5 Mikrosievert pro Stunde nachweisen. Damit liegt zwar die Strahlung wahrscheinlich noch innerhalb der Grenzwerte, aber nach Meinung der Experten würde die zulässige Jahresdosis an Radioaktivität in direkter Nähe der Behälter innerhalb weniger Stunden erreicht. Ferner wies der Sprecher von Greenpeace nochmals darauf hin, dass das Zwischenlager nicht sicher vor terroristischen Angriff sei, was auch von Behördenseite bestätigt wurde, und die Einlagerung der Behälter illegal sei.
Scharfe Kritik kam auch von der Aktionsgruppe WiderSetzen. Nachdem sich mehr als 3.000 Menschen in der Nacht zum Sonntag auf die Schiene gesetzt hatten, baute die Polizei bei Harlingen mit eigenen Einsatzfahrzeugen einen Kessel. Während der Räumung der Schiene wurden nach Polizeiangaben noch 1.200 Demonstranten in dem Kessel in „Gewahrsam“ genommen. Die DemonstrantInnen wurden genötigt ihre Personalien anzugeben, bevor sie den Kessel verlassen durften. Wer dieser illegalen Forderung nicht nach kam, musste 11 Stunden in dem Polizeikessel aushalten. Stundenlang verhandelten die Anwälte mit der Einsatzleitung und machten deutlich, dass dieses Vorgehen illegal sei und die DemonstrantInnen frei zu lassen wären. Erst nachdem starker Regen einsetzte, durften alle den Bereich verlassen.
Demgegenüber zog Castor?Schottern! eine positive Bilanz: Insgesamt konnten 20 m Schienenstrecke geschottert werden. Nachdem es im letzten Jahr bei den Aktionen viele Verletzte gab, wurde versucht, Kontakte mit der Polizei zu vermeiden, um die Gefahr der Eskalation zu verringern. Dennoch gab es auch in diesem Jahr bei Zusammenstößen mit der Polizei durch Einsatz von Schlagstöcken und Pfefferspray Verletzte.
Viele mögen sich Fragen, warum der Protest trotz der angekündigten ergebnisoffenen Endlagersuche und trotz Atomausstieg weitergeht.
Die Antwort im Wendland ist klar: Den Politikern schenken sie kein Vertrauen mehr, zu oft wurden sie hintergangen. Allein die weitere Erkundung des Salzstocks in Gorleben macht Röttgens Ankündigung unglaubwürdig. Ein wirklich gewollter Atomausstieg müsste zur Folge haben, dass alle Atomkraftwerke abgeschaltet werden.
Ute Lampe
http://www.baeuerliche-notgemeinschaft.de/
http://www.greenpeace.de/themen/atomkraft/presseerklaerungen/artikel/
http://www.castor-schottern.net
Weitere Meldungen:
Toter bei Protest von Strahlenopfern in der Ukraine
Der Mann starb an einem Schwächeanfall, als die Polizei ein Zeltlager von Strahlenopfern s.g. Liquidatoren der Tschernobyl-Katastrophe auflöste. Die Demonstranten hatten in der Stadt Donezk mit einem Hungerstreik gegen die Kürzung von Sozialleistungen protestiert. Sie waren nach dem Atomunfall 1986 ohne ausreichende Schutzausrüstung bei Aufräumarbeiten eingesetzt worden.
http://www.dradio.de/nachrichten/