Das Aus für Braunschweiger Saubermann- und "Wildwuchs"-Projekte?
Braunschweig (dpi) - Unsere saubere Stadt soll sauber bleiben, heißt es allenthalben aus den Bürgermeister-Stuben des Rathauses. Alljährlich bläst man auch plakativ zum großen Stadtputztag, wo ambitionierte Saubermänner und -frauen den Müll aus den Büschen ziehen und feiert damit größte Erfolge.
Flankierend dazu, das höchstselbst vom sehr auf Sauberkeit bedachten Oberbürgermeister ins Leben gerufene Projekt "Wildwuchs", wo Ein-Euro-Jobber tagtäglich Stadt und Parks durchschreiten, um Unkraut zu zupfen und wildem Wuchs den Garaus zu machen. Wildwuchs- oder kräuterbeseitigung, Fahrbahnpflege, Pflege von öffentlichen Anlagen und Winterdienste zählen offenbar als höchste erste Bürger-Pflicht, die Stadt aber kann diese Aufgaben offensichtlich nur "zusätzlich" betreiben und sieht ihre Aufgaben derzeit eher im Private-Partnershippeln. Offenbar gibt es durch die Streichung von solchen Förderungen aus Frau von der Leyens Arbeitsministerium zukünftig dann nicht genug Ein-Euro-Jobber, die auch noch die Braunschweiger Schulen praktisch für 1 Euro die Stunde putzen oder streichen. Projekt "Bildungsputzig" wurde kurzfristig in P(i-pa-po)P(rivatiserungs)P(rojekte) umgerubelt, während anderswo der amtlich-geförderte Wildwuchs weiterlaufen soll.
OB: Keine Lizenz zum Unkrautvernichten?
Nun aber, nach einem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) in Kassel haben ALG II - Empfänger (Hartz IV), die als 1-Euro-Jobber zum Beispiel mit Aufsammeln von Müll und Unrat im Stadtgebiet, Park oder Wald beschäftigt werden, einen Anspruch auf tarifliche Entlohnung gegenüber dem Job-Center. Nach dem Urteil des BSG muss die Behörde nachweisen, dass die Arbeit "zusätzlich" ist.
(Az: B 14 AS 98/10)
Selbst von der Behörde als "zusätzlich" bezeichnete Arbeiten wie die Tätigkeit als "Hilfsarbeiter bei der "Aktion "Saubere Stadt" - Aufsammeln von Müll und Unrat im Stadtgebiet, Park oder Wald" gehört in der Regel zu den originären Aufgaben der Gemeinde, stellt also in der Praxis keine wirklich zusätzliche Arbeit dar.
Nicht so sauber - Wildwuchs auf Gesetzespfaden
Die oben aufgeführten Arbeiten zählen nach dem Urteil des BSG nicht hierzu, sind nicht "zusätzlich", sondern sind originäre Aufgaben und Pflichten der Stadtverwaltung. Sie müssen also nach Gesetz und Recht ordentlich und richtig - und zwar sogar nach Tarif - bezahlt werden. Hat sich also in Braunschweigs Ratsstuben ein gewisser Wildwuchs in der Auslegung gesetzlicher Förderbestimmungen breit gemacht? Hat man etwa Hilfsbedürftigte sogar zwangsweise illegal beschäftigt? Denn diesen Ein-Euro-Wildwuchs-Job ablehnen bedeutete ja auch in vielen Fällen gravierender Leistungsentzug und Versagung von Arbeitslosengeld. Wer sind nun die Benachteiligten?
Illegale Wildwuchs-Zwangsarbeiter von Stadt eingestellt?
Waren also diese Projekte nur oberflächlich sauber? Wollten etwa Braunschweigs Bürger auf Kosten Hilfebedürftiger ihr Image säubern? Natürlich nicht, die hat ja auch keiner gefragt. Das Saubere-Stadt-Bewegung und das Wildwuchs-Projekt gingen vor allem von einem Initiator aus, und dieser wurde dafür in
Presse
, bei vielen unwissenden Bürgern als auch bei anderen Unwissenden einer "anderne Szene" kameradschaftlich, einvernehmlich und trefflich gelobt.
Karneval Braunschweig: Der große InitiaTor
Hat auch nicht vergessen, sich
selbst noch ein wenig zu loben
. Dafür bekam er aber auch wenig beachtete
Kritik
, wie man fairerweise sagen muss. Nun, wie peinlich, aber korrigiert ihn, den Juristen, ausgerechnet das BSG.
Kommt nun die bürgermeisterlich verordnete Bürger-Kehrwoche?
Im Rathaus und im Braunschweiger Jobcenter wird man damit jetzt ein Problem haben. Man wird also, da jetzt die billigen Ein-Euro-Jobber und auch die von CDU/FDP vorgesehenen umetikettierten "Bürgerarbeit"-Projekte wackeln, die man ja offenbar nicht tariflich zu entlohnen gedachte, auf andere Möglichkeiten sinnen, um sich weiterhin den Anschein von Ordnung und Sauberkeit zu geben. Möglicherweise führt man dazu die verpflichtende Allgemeine Bürger-Stadtkehrwoche ein oder wie damals in der DDR den "Dienst für Braunschweig" oder die "Braunschweiger Arbeitsfront", wer weiß, wie findig man da im Braunschweiger Rathaus ist? Die FDP dürfte da ohne weiteres mitmachen, ist sie doch für mehr Selbstverantwortlichkeit innerhalb des bürgerlichen Lagers.
Na dann, schönes Reinemachen da oben.
Helmhut
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