Macht die lokale Politik unsere Stadt arm?
Nein, möchte man angesichts der ringsum gepflegten Parkanlagen, Schlosskulissen, regen Autoverkehrs und Geschäftsverkehrs doch erstmal meinen.
Ein Blick in die eigene Geldbörse
Dabei sollte es ein jeder von uns doch besser wissen, statt sich von dieser regen Geschäftstätigkeit vordergründig blenden zu lassen.
Arbeitsplätze sind z.B. nicht mehr Arbeitsplätze oder das, was man früher darunter verstanden hätte. Die freundliche Kassiererin an der Kasse unseres Supermarktes beispielsweise - der sieht man auf den ersten Blick nicht an, dass sie unterbezahlt ist oder nur einen 400 Euro Job macht, wovon sie sich und ihre Familie nicht recht ernähren kann. Aber, es sieht so aus, als hätte sie Arbeit, dabei verdient sie sich quasi ein Zubrot.
Öffentliche Versorgungspflichten rückläufig
Und auch unsere Müllabfuhr hier, die durch die Privatfirma ALBA organisiert wird, wirkt auf uns so, als sei alles in bester Ordnung. Aber in jedem Winter bemerkt man die mangelnde Schneeräumung, im Sommer die Wespenscharen, die sich an den nicht geräumten Containern zur Labung an Lebensmittelresten sammeln. Kleinigkeiten zwar, aber sie summieren sich. Und was der ALBA-Mitarbeiter verdient, weiß man teilweise ja auch nicht.
Ähnliches gilt für die Energieversorgung. Auch hier haben Braunschweigs verantwortliche Politiker (CDU/FDP) auf Privatisierung gesetzt. In der [url=http://www.umweltzeitung.de/index.php?id=17
]Umweltzeitung[/url] befasst man sich mit diesen Privatisierungen, mit den angeblich schuldenfreien Haushalt, mit dem Verkauf von Vermögen und "Tafelsilber" und dem Status Quo unserer Schulen.
Kürzlich zog die CDU Braunschweig noch mit "Erfolgsmeldungen" wie "Millionengelder für Sanierung der Schulen" in den Wahlkampf, während gleichzeitig in einigen Schulen Decken und Wahlbehauptungen einstürzten. Ein Braunschweiger Gymnasium erreichte im Ranking der schlechtesten Schulen Deutschlands gleich Platz 1, 2 und 3. Was ist uns die Bildung unserer Kinder wert?
Trotz Studiengebühren Wohnungs- und Platzmangel an den Unis
Service: Freie Zimmer und Apartments in Wohnheimen ab 1. November:
- Weststadt: 3 WG-Zimmer
- Langer Kamp: 3Apartments und 2WG-Zimmer
- Rebenring: 15Doppel-Apartments und 5 normale Apartments
- An der Schunter: 4 Apartments
- Wiesenstraße: 1WG-Zimmer im Mädchentrakt
- Michaelishof: 1Apartment sowie 1Apartment mit Gemeinschaftsküche, 1WG-Zimmer
Hier geht's zum Studentenwerk
Mit diesem mehr als dürftigen Wohnungsangebot will man derzeit 200 Studenten zuleibe rücken, die eine Unterkunft suchen. Das sagt doch alles!
Bundesweit zeigt sich das "[url=http://www.heise.de/tp/artikel/35/35604/1.html
]Programmierte Chaos[/url]" als Folge dieser unsäglichen Bildungsmisere. Etwa 500.000 Erstsemester kommen auf Universitäten und Fachhochschulen zu. Mitten im
Organisationswirrwarr geht die Debatte um Studiengebühren weiter. Auch in Braunschweig melden dieser Tage TU Platzmangel und das Studentenwerk Wohnungsmangel für die eintreffenden Studenten an.
Arbeit ist nicht immer ausreichender Unterhalt
Vergessen längst, diejenigen, die aufgrund dieser Privatisierungsmaßnahmen entlassen wurden. Die sind jetzt größtenteils arbeitslos geworden oder fristen ihr Dasein ebenfalls in 400 Euro Jobs, natürlich mit Aufstocker-Grundsicherung, also Sozialhilfe, weil sie von ihrer Hände Arbeit ebenfalls nicht mehr leben können.
Volkswagenwerk in Tennessee setzt neuen Niedriglohnstandard
Vergessen auch schnell, auf welchen Schultern wir unseren hiesigen, sehr wackeligen Wohlstand eigentlich abladen. Während wir hier 60.000 Bäume verlieren, Umweltzerstörung betreiben und getreulich Herrn Winterkorns "machen's fertig!" befolgen, fliegt McAllister nach Südamerika und lässt sich verehrenbürgern, während gleichzeitig im Süden der USA Niedriglohnstandards eingeführt werden. Alles Arbeitsplätze, aber was für welche?
David McAllister (CDU) freut sich auch mit Nordmedia darüber, wie erfolgreich sich der [url=http://www.stk.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=1130&article_id=99820&_psmand=6
]Medienstandort Niedersachsen[/url] entwickelt.
„Die Studie belegt: Der Medienstandort Niedersachsen entwickelt sich weiter erfolgreich. Besonders positiv bewertet die Studie die aktive Medienpolitik, die guten Fördermöglichkeiten für Existenzgründer
sowie kooperative Behörden [Hervorhebung red.]", erklärte McAllister. Die dazu gehörige Studie (siehe auch
www.nordmedia.de
) beinhaltet die Ergebnisse einer Online-Befragung unter Verantwortlichen der Medienbranche zum Medienstandort Niedersachsen.
Verschwiegen wird jedoch, dass dafür demnächst weitaus weniger Arbeitnehmer gebraucht werden. In der Studie kann das im Kleingedruckten nachgelesen werden. (Studie, pdf-Seite 8)
Für wen also ist der Medienstandort wirklich erfolgreich?
Das gleiche gilt für das Reinigungspersonal und die Hausmeister in unseren öffentlichen Gebäuden, in den Schulen und den Behörden. Und auch in unseren sozialen Verbänden, in der Caritas, der Arbeiterwohlfahrt, der kirchlichen Institutionen greifen Geringbeschäftigung, Ein-Euro-Jobs, befristete Beschäftigungsverhältnisse derart um sich, dass in den Geldbörsen der Betroffenen mit Sicherheit nicht viel vom Brutto übrig bleibt. Sie alle sind größtenteils auf staatliche Unterstützung angewiesen, während die Wirtschaftsunternehmen fein raus sind. Die müssen ja nicht mehr voll zahlen.
Bezahlt werden all diese zusätzlichen "Lohnstützen" von Steuergeldern. Also von jedem von uns, der Steuern zahlt. Das sind Sozialleistungen und diese sind ja erst einmal passend, wenn man sich als solidarische soziale Gesellschaft versteht. Aber die Unternehmen, die die Leute entlassen und wenige Kräfte behalten, die dann noch aufstocken müssen, weil nur geringe Löhne gezahlt werden, bleiben außen vor.
Also, auch wenn uns hier immer von "Arbeitsplätzen" erzählt, als Totschlagargument, mit dem wohl alle Umwelt- und sozialen Sünden möglich sein sollen, dann sollte doch genauer hingesehen werden, um welche Arbeit es sich im einzelnen handeln wird.
Ver.di hat soeben ein Beratungsbüro für "Faire Arbeit" eröffnet
, teilweise witzig, haben die Gewerkschaften doch einen gewissen Anteil daran, dass es zu Geringstverdiensten, Zeitarbeit und ähnlichen Missständen gekommen ist. Jetzt wundert man sich offensichtlich, dass sich die Arbeitgeber das angebliche Instrument "Leih-/Zeitarbeit" nicht nur für knappe Auftragslagen nutzen, sondern generell zur Besetzung ihres Personalschlüssels. Dennoch, gut, dass die Gewerkschaft nun endlich Hilfe anbietet und Information nach all den Jahren, in denen es die Missstände bereits gibt. Wieder zwar ein Schritt in die richtige Richtung - wie man heutzutage viel zu oft formulieren muss - denn es geht zu langsam und nicht ausreichend genug. Währenddessen wird Sozial- und Staatsabbau betrieben und uns gehen wichtige Rechte verloren.
Viele Konzerne und Unternehmen haben zwar ihre Hallen und Werke in unserer Stadt, aber ob sie auch Gewerbesteuer zahlen oder ihre Gewinne in andere Regionen, z.B. zu ihrem Hauptsitz an anderer Stelle abführen, das wird oft nicht berücksichtigt.
Armut macht einsam
Das bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass wir uns selbst subventionieren und für andere wichtige Dinge am Ende die Mittel doch sehr knapp sind. Da bleibt schon mal Kultur und Teilhabe an gesellschaftlichen Dingen auf der Strecke. Da bleibt man lieber zuhause, zieht sich ins Private zurück, was natürlich auch langfristig Demokratie und Bürgerengagement deutlich schwächen kann.
Das [url=http://www.heise.de/tp/artikel/35/35614/1.html
]Arbeitgeberlager treibt Bundesländer, Städte und Kommunen zum Sparen an[/url] Die Folgen der Sparprogramme wurden hingegen nicht hinreichend untersucht. Aber es deutet sich bereits jetzt an, dass Gewinne sich auf der einen Seite mehren und in Spekulationen fließen, statt dass sie investiert, ausgegeben werden und damit zurück in den Geldkreislauf fließen. Auf der anderen Seite werden alle sozialen Lasten von der Allgemeinheit getragen.
Das Beispiel der Lebensmitteltafeln in Deutschland
Ehrenbürgerschaft, Engagement werden vordergründig zur "guten Tat" stilisiert, zur Beruhigung des schlechten Gewissens. Wir sind mehr und mehr auf Wohltaten und Almosen privater Stifter und Mäzene angewiesen, die dann über das bestimmen können, was uns sozial, kulturell und bildungsinhaltlich zukommen soll und eventuell auch wird. Die bürgerliche städtische Unabhängigkeit ist damit höchst gefährdet. Klappt der wohltätige betuchte Spender seine Börse zu, gucken wir in die Röhre. Und, wie man sieht, umschmeichelt werden wollen die Spender ebenfalls von Politik und Kulturtreibenden, damit überhaupt was geht.
Stiftung zur Altenpflegeausbildung stößt auf heftige Kritik
"Sozialministerin" Özgan zieht jede Woche auf Werbetour als PR für die niedersächsische CDU. Stiftungen zugunsten armer Kinder, Preise für Migration. Alles warmer Spendensegen aus den Kassen weniger privater Stiftungen, die uns vorgaukeln sollen, für alle wird und sei gesorgt.
Die am Dienstag im Kabinett verabschiedete Gründung einer Stiftung zur Altenpflegeausbildung stößt bereits auf heftige Kritik. "Überflüssig, teuer, zweckentfremdet", lautet das Urteil der Gewerkschaft ver.di. Man setzt zukünftig also auch dort nicht mehr auf voll ausgebildete Fachkräfte, die man gut besolden müsste, sondern vielmehr auf private Gelder privater Stiftungen, die dann per Crashkurs "Bürgerarbeit" an Angelernte vermitteln. Wollen wir wirklich unseren alten Leutchen eine solche Pflegeverknappung oder gar solche Pflegequalität zukommen lassen. Wollen wir etwa selbst so unzureichend billigst gepflegt werden, wenn wir einmal alt und hilflos sind?
Das neue "Spaßbad" und das Ende der Gemeinnützigkeit
Mit dem "Spaßbad" wird ein weiterer Prozess in Braunschweigs Freizeitkulturlandschaft deutlich, der am Ende weniger Gemeinnützigkeit zur Folge haben wird, auch wenn uns die Architektenentwürfe und Hochglanzbroschüren für einen kurzen Moment vormachen, dass alles modern, chic und das Beste fürs Stadt-Image sei.
Vergleiche: Der Eintritt im Badeland Wolfsburg beträgt zur Zeit 3,70 € pro Stunde. Eine Tageskarte dort kostet 9,70€ pro Person, im Badezentrum Gliesmarode nur 4,05 € (für Kinder 3,10 €), im Nordbad sogar nur 3,10 für einen Erwachsenen. Und was soll das neue "Spaßbad" kosten? Man spricht von 14 € oder mehr. Dabei hätte man noch allen möglichen Luxus (Sauna, Wellnessbad usw.)
Aber wer braucht denn das? - fragt sich Udo Dittmann im [url=]braunschweig-spiegel[/url].
"Welche Familie kann sich das auf Dauer leisten, dort öfter schwimmen zu gehen? Doch wohl nur gutverdiendende Mittelschichtsfamilien und Singles. Hartz-IV-Familien wohl kaum - sie sind quasi beim neuen "Spaßbad" von vornherein ausgeschlossen, schon wegen der Kosten. Das gilt auch für viele andere Familien Und für Senioren und Vereine ist das "Spaßbad" nur begrenzt tauglich."
Wie man unschwer bereits an diesen wenigen Beispielen erkennen kann, wirkt sich vieles auch schon in unserer Stadt aus. Da können doch die mit den [url=http://www.ad-hoc-news.de/neue-oz-kommentar-zu-ein-euro-jobs--/de/News/22358128
]Ein-Euro-Kräften[/url] überaus billig gepflegten Straßen und Parks nicht drüber hinweg täuschen - oder doch?
Sauberkeit, eine Prämisse unseres Oberbürgermeisters kehrt eben nicht all die Ungerechtigkeiten, nicht alles Unsoziale und auch nicht die vielen Mängel weg, die es anderswo zu beräumen gebe. Sauberkeit lenkt aber entschieden gut vom Wesentlichen ab.
Jeder siebte Niedersachse von Armut bedroht
Die Kluft zwischen Arm und Reich in Niedersachsen wird nach Einschätzung der Landesarmutskonferenz immer größer
. Die Armut sei im Land "auf einem skandalös hohen Niveau" und die Zahl der Milliardäre sei innerhalb eines Jahres um 20 Prozent gestiegen, teilte die Armutskonferenz erst am Dienstag in Hannover mit. Jeder siebte Niedersachse ist demnach von Armut bedroht, "aber der Wert der 100 größten Vermögen hat seit 2010 um 6,5 Prozent zugenommen", kritisierte der Konferenz-Sprecher Horst-Peter Ludwigs.
Und das trifft auch auf Braunschweig zu.
Es gilt daher, sich neue Gedanken zu machen, wohin unsere Stadt zukünftig steuern wird, wenn wir jenen das Steuer überlassen, die uns bereits jetzt dorthin geführt haben, wo wir momentan stehen.
Gruß
Helmhut