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Mit NS-Akten gegen Minna Faßhauer?

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11 Jahre 4 Monate her - 11 Jahre 4 Monate her #8250 von Nachtschatten
Jemand hatte einen interessanten Gedankengang dazu:

...zu welchem Ergebnis Hr. Biegel kommt, da bin ich auch neugierig.
Welche Ziele wurden denn bei dem Sprengstoff-Attentat verfolgt?
Aber Hoffmanns KPD-Erklärung widerspricht eindeutig dem schon seit Römerzeit bekannten, in die Menschenrechtskonvention der Vereinten Nationen 1948 aufgenommenen Erklärung: "Keine Strafe ohne Gesetz" (Nulla poena sine lege).
Minna Faßhauer ist nicht einem Urteil zu unterwerfen, das zu ihren Lebzeiten nicht existiert hat.
Der OB als Jurist sollte es besser wissen.

Und mein Gedankengang geht in die Richtung:
Wenn eine nicht Ehrung von Minna Faßhauer, mit dieser Begründung von Hr. Hoffmann durchkommt, dann dürfte Hr. Hoffmann ganz schön alt aussehen, wenn die NPD verboten wird!

Dann dürfte er nämlich die längste Zeit OB von Braunschweig gewesen sein und sollte schnellstens „unehrenhaft Abdanken“, da er, seinen eigenen Gedankengang folgend, dann der Ehrung nicht Würdig wäre, ein öffentliches Amt inne zu haben ;-).


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Letzte Änderung: 11 Jahre 4 Monate her von Nachtschatten.

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11 Jahre 4 Monate her - 11 Jahre 3 Monate her #8251 von Nachtschatten
Zu diesem Thema gab es auf der Ratssitung vom Di. 18.12.2012, eine Bürgeranfrage:

„Ja, guten Tag, meine Damen und Herren, verehrte Ratsherren und –damen und auch Zuseherinnen an den Bildschirmen zu Hause.
Ich habe hier eine Frage, und zwar geht es um die Bürgeranfrage zur Ehrung von Minna Faßhauer.
Ich habe das im Nachhinein mitbekommen.

Vorangeschickt möchte ich nochmal zum Verständnis meiner Frage kurz etwas darstellen und zwar:
Sie war erste Ministerin, Frauenrechtlerin, Kriegsgegnerin und Verfolgte des Nazi-Regimes.
Die Ehrung von Persönlichkeiten, lebenden oder verstorbenen einer Stadt durch dasselbe setzt voraus, dass es in der Person der zu Ehrenden nachhaltig feststellbare Merkmale gibt.

Und wenn, ich auch jetzt schon durch einen CDU-Einwurf mitbekommen habe, „Terroristin!“, möchte ich gerne nochmal darstellen, dass das natürlich auch ein Punkt ist, wo sie sich ganz klar positioniert hat, wobei natürlich diese Fakten – wenn ich das richtig verstanden habe – herausgezogen sind aus Gefängnisakten des Nazi-Regimes aus dem KZ Mohringen.

Und da frage ich mich doch, inwiefern so etwas angeführt werden kann, um eine Ehrung nicht vorzunehmen.
So, ich habe hier noch ganz viel ausgearbeitet, ich möchte es Ihnen hier, weil es jetzt schon so spät ist, ersparen.
Sie können gerne auf mich zukommen, ich kann Ihnen das gerne zukommen lassen, ich möchte es kurz machen und zwar:

Es gibt drei Sachen, die mich sehr interessieren, und zwar: trifft es zu, dass der Oberbürgermeister hierzu erklärte, die Verwaltung könnte kein Konzept zur Ehrung von Minna Faßhauer vorlegen, da Minna Faßhauer einer besonderen Ehrung nicht würdig sei?

Dann, in der gleichen Erklärung, die damals abgegeben wurde: die Mitgliedschaft von Minna Faßhauer in der KPD und das 1956 erlassene Verbot der Partei als Grund für eine –Entschuldigung, ich bin etwas aufgeregt– dies als zutreffend vorausgesetzt die Frage, frage ich:
wie verträgt es sich mit rechtstaatlichen Grundsätzen, dies jemand vorzuhalten, der ganze zwei Monate nach Inkrafttreten des Grundgesetzes verstarb und bei Wirksamwerden des Verbotes bereits Jahre verstorben war.
Wenn in dieser Erklärung – also vorausgesetzt, ich habe es richtig verstanden – in eben jener Erklärung des Oberbürgermeisters solch ein Beleg für vermeintlich kriminelle Delikte von Minna Faßhauer angeführt seien, Gefängnisakten aus dem Jahre 1935, dies als zutreffend vorausgesetzt, frage ich: ist die Verwaltung der Auffassung, dass Gefängnisakten aus dem Nazi-Regime zutreffende Aussagen über die von ihnen Verfolgten machen?“

Antwort Kulturdezernentin Anja Hesse:
„Sehr geehrtes Präsidium, sehr geehrte Frau X, zu Ihren Fragen: Es trifft zu, dass der Oberbürgermeister in einer Verwaltungsvorlage den Ratsgremien ausführlich dargelegt hat, dass die Verwaltung kein Konzept zur Ehrung von Minna Faßhauer vorlegen könne, dafür selbige eine besondere Ehrung durch die Stadt Braunschweig nicht denkbar sei. Als
einen Grund hat der Oberbürgermeister auf das KPD-Verbot des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1956 verwiesen, das, nicht nur für dieses Jahr, sondern generell die KPD gewissermaßen seit ihrer Existenz als verfassungsfeindlich deklariert hat. Das Parteiverbot des Bundesverfassungsgerichts griff zwar rechtlich erst mit dem Urteil im
Jahre 1956, die enthaltenen Feststellungen zur Verfassungsfeindlichkeit der KPD galten aber natürlich nicht lediglich für die KPD im Jahre 1956, sondern für die gesamte Haltung zur Programmatik der KPD, wie sie sich nach 1945 in Deutschland entfaltet und getätigt hat.
Infolgedessen ist es die Auffassung des Oberbürgermeisters, jedem Mitglied der KPD zu jeder Zeit eine verfassungsfeindliche, also gegen die Werte des Grundgesetzes gerichtete Einstellung als immanent zu unterstellen.

Der Oberbürgermeister wird auf Wunsch von Ratsmitgliedern diese seine Auffassung auch in der abschließenden, öffentlichen Sitzung des Ausschusses für Kultur- und Wissenschaft ausführlich und persönlich darlegen.

Ihre zweite Frage habe ich bereits mit der von mir eben gegebenen Antwort beantwortet, aber lassen Sie mich noch auf die Bewertung von NS-Gefängnisakten eingehen. Minna Faßhauer war 1921 an der Vorbereitung von Sprengstoffanschlägen beteiligt, die am 13. Juli auf das Tennishaus, die Garnisonskirche und zwei weitere Gebäude in Braunschweig verübt worden waren. Aus diesem Grunde ist sie vom Oberlandesgericht in Braunschweig zu einer nach acht Monaten amnestierten Haftstrafe in Wolfenbüttel verurteilt worden.
Die Unterlagen der Justiz über den damals angestrengten Prozess sind aller Wahrscheinlichkeit nach im Zweiten Weltkrieg verloren gegangen. Für eine historisch-kritische Auseinandersetzung ist daher ein Gebot geschichtswissenschaftlicher Sorgfaltspflicht, sämtliche erreichbaren Quellen zu ermitteln, auf ihren Quellenwert hin zu überprüfen und in Bezug zu anderen Quellen zu setzen.
Dies ist auch bei der Mitteilung der Verwaltung zur Vorbereitung der Sitzung des Verwaltungsausschusses am 02.10.2012 geschehen.
Neben den Zeitungsberichterstattungen des
Jahres 1921 wurden vor allem zwei Quellen herangezogen, die im folgenden in chronologischer Reihenfolge vorgestellt werden:

1. Eine Akte des Hauptstaatsarchivs Hannover aus dem Bestand Haftanstalt Mohringen, Signatur Nds.-Landesarchiv / Hauptstaatsarchiv Hannover: Minna Faßhauer war 1935 von den Nationalsozialisten verhaftet worden.

Nach fünf Monaten Untersuchungshaft musste sie das Oberlandesgericht
Braunschweig vom ursprünglich erhobenen Vorwurf des Hochverrats freisprechen.

Dennoch musste sie weiter in Haft, im NS-Jargon hieß das „in Schutznahme“ bleiben und wurde Anfang Oktober 1935 in das KZ-Lager Mohringen überstellt.
Von hier wurde sie nach weiteren dreieinhalb Monaten Haft entlassen.

In diesem Zusammenhang wurde auch ein
Personalbogen für zu beantragende Entschädigungsleistungen angelegt, in der die persönlichen Daten, Adresse, Familienstand,Religionszugehörigkeit und eben auch Angaben über Vorstrafen notiert
wurden.
Wörtlich heißt es dort: ‚1922: neun Monate Gefängnis wegen Dynamitverbrechen, erlassen durch Amnestie, vier Monate Gefängnis Vergehen gegen das Entwaffnungsgesetz, auch amnestiert.‘

Diese Angaben haben keinerlei Bezug zu den von den Nazis gegen Minna Faßhauer 1935 erhobenen Vorwürfen des Hochverrats und den in diesem Zusammenhang angestellten Ermittlungen.

Zweite Quelle: Eine Akte aus
dem Nds. Landesarchiv / Staatsarchiv Wolfenbüttel. Minna Faßhauer wiederholte nach dem Krieg 1947 die 1935 gemachten Angaben über die Haft in einem von ihr eigenhändig ausgefüllten Fragebogen im Zusammenhang mit zu beantragenden Entschädigungsleistungen.

Wörtlich heißt es: „1921 acht Monate Zuchthaus Wolfenbüttel, verurteilt durch Oberlandesgericht Braunschweig wegen politischer Vergehen.“
Es ist mitnichten so, dass die Angaben über die Inhaftierung Minna Faßhauers
im Jahre 1921 auf NS-Akten beruhen. Die von Minna Faßhauer gemachten Aussagen werden vielmehr durch die Akte von 1935 bestätigt.
Es widerspricht jeder Art von seriöser historischer Forschung, Quellen einer
bestimmten Provenienz von vornherein für die historische Arbeit auszuschließen.

Es kommt vielmehr auf eine kritische Einordnung und Würdigung an.
Diese Notwendigkeit einer Quellenkritik ist im übrigen Stoff eines Proseminars, z.B. möchte ich noch einmal den Hinweis geben, auf Rusinek, die Interpretation historischer Quellen, Schwerpunkt Neuzeit.
In der Tat ein Theorem, das erst in den siebziger Jahren wirklich für die Fachwissenschaft überschaubar geworden ist.
Diese Publikation ist aus dem Jahr 1992.

Wie wichtig und erkenntnisfördernd gerade die Arbeit mit Quellen zur NS-Justiz sein kann, haben für Braunschweig nicht zuletzt Hans-Ulrich Ludewig und Dietrich Küßner in ihrem Band über das Sondergericht Braunschweig gezeigt.

Und auch der bekannte Jenaenser Hochschullehrer Norbert Frei hat in seinem Arbeiten mehrfach deutlich gemacht, dass die Besatzungsmächte die Rückgabe der NS-Unterlagen ausdrücklich an deren freien Zugang für die Forschung geknüpft haben.

Im übrigen warten wir jetzt auf die Expertise von Herrn Biegel und berichten dann wieder in unserem Fachausschuss. Wir würden Sie gerne,Frau X, wenn Sie mögen, einladen zu dieser Sitzung.
Vielen Dank.“


Zusatzfrage:
„Also ich bedanke mich erstmal für die Einladung und für die umfassende Beantwortung meiner Frage!
Ich bin auch gespannt auf das Ergebnis von Herrn Biegel.

Jetzt habe ich, aber trotzdem noch eine Zusatzfrage:
nach meinem allgemein-demokratischen Verständnis sollte man doch annehmen, dass der Rat der Stadt darüber beschließt, ob und wie eine historische Person der Stadt geehrt wird. Wie begründet dagegen die Verwaltungsspitze hier die angegebene Erklärung, nicht willens zu sein, eine angemessene Ehrung von Minna Faßhauer vorzunehmen?“


Antwort Frau Dr. Hesse:
„Ja liebes Präsidium, hätte ich fastgesagt, sehr geehrtes Präsidium, liebe Frau X, in der Tat hat es einen Antrag gegeben der Fraktion "Die Linke".

Dieser Antrag ist im Kulturausschuss behandelt worden, im Verwaltungsausschuss behandelt worden, danach noch einmal zurückverwiesen worden in das zuständige Gremium, dem Kulturausschuss, und von dort aus noch einmal in den Verwaltungsausschuss am 02.10.
Dort wurde ein Beschluss gefasst, dass man sich zunächst einmal der historischen Aufarbeitung der Biographie Minna Faßhauers sehr sachlich, sehr nüchtern und sehr objektiv widmen solle.
Insoweit hat der Rat seine Pflicht, d.h. also die Gremien des Rates haben ihre Pflicht vollkommen in Anspruch genommen oder auch genutzt um diesem Antrag,
den die Linke ursprünglich gestellt hat, zu einem Ergebnis zuzuführen.

Und insofern ist als Ergebnis herausgekommen, dass der Herr Professor Biegel dazu eine biographische Untersuchungvornimmt."


Ergänzent dazu: die Protokolle der Ratssitzung, von der Piraten Partei (erscheint dort in den nächsten Tagen) und der www.bibs-fraktion.de/index.php?id=74 (erscheint dort in den nächsten Tagen) geschrieben.


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11 Jahre 4 Monate her - 11 Jahre 4 Monate her #8254 von Rosenbaum
... wenn die NPD einst verboten wird ?

Diese Frage hatte sich bereits gleich nach Bekanntwerden seiner Expertise zu Minna Faßhauer angedeutet.

Nun dazu mein Artikel auf Braunschweig-Spiegel
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