"Ihr Sohn Karl-Theodor (der heutige Verteidigungsminister)nennt Sie heute einen "bekennenden Apokalyptiker",warum?" (...)
"Ich beschäftige mich seit vierzig Jahren mit der Umweltproblematik, und wie dramatisch die Lage wirklich ist, haben bisher die wenigsten begriffen. Seit Jahrzehnten predigt die Wissenschaft den Klimawandel, aber noch 2006 haben die Leute einem den Vogel gezeigt, wenn man mit dem Thema kam. Erst seit dem UN-Klimabericht ist der Klimawandel überhaupt auf der Agenda. Ich fürchte, das ist viel zu spät.
Weshalb so pessimistisch?
Nehmen Sie doch das ganz nüchterne Zahlenwerk:
Während die Menschheit davon spricht, mehr als zwei Grad Klimaerwärmung verhindern zu wollen, verdrängt sie, was die bereits existierenden 0,7 Grad Erderwärmung unwiderruflich auslösen:
Erstens das irreversible Abschmelzen der Grönlandkappen. Das wird in den nächsten 30 Jahren die Heimat von 1,4 Milliarden Menschen unter Wasser setzen. Und wenn die zu uns kommen, dann sicher nicht freundlich mit dem Reisebus.
Zweitens ist das Auftauen der Permafrostböden in Taiga und Tundra nicht mehr zu stoppen: Wenn das Methangas darunter in die Luft steigt, erwärmt sich das Klima nicht, es wird sich erhitzen!
Und heute schon produzieren wir jeden Tag 30.000 Hektar Wüste, jeden Tag verlieren wir 56 Millionen Tonnen fruchtbaren Boden, täglich sterben 100 bis 150 Arten aus, jährlich verlieren wir 13 Millionen Hektar Wald, die Lunge unseres Planeten.
Und wir pumpen täglich weiterhin und unverdrossen 100 Millionen Liter Treibhausgas in die Atmosphäre, Tendenz steigend. Und zuletzt noch eine Zahl, die alle kennen, die aber niemanden interessiert:
Jeden Tag sterben infolge unseres Umgangs mit dem Planeten 29.000 Kinder. Da bin ich nicht apokalyptisch, das ist längst Apokalypse now! Und ich fürchte, gegen das, was an menschlichen Konflikten auf uns zukommt, war der Zweite Weltkrieg ein Spaziergang.
Diese Überzeugung muss einem Vater von zwei kleinen Kindern doch den Schlaf rauben...
Ehrlich gesagt liege ich nachts tatsächlich oft vor Sorge wach. Nicht meinetwegen. Ich lebe hier in Saus und Braus, ich habe einen Beruf, den ich heiß liebe, ich gehe jeden Tag reiten und wer weiß, wie lange ich das noch kann. Aber ich habe beklemmende Angst um die Zukunft meiner Kinder und Enkelkinder.
Und eines Tages werden wir ihrer Generation erklären müssen, warum sie wegen unseres Lebensanspruchs zwei Schulden zahlen müssen, monetäre und die ihres verbrauchten Lebensraumes.
Die Frage ist, ob sie später auch nur annähernd so auf diesem Planeten leben können, wie wir es heute tun.
Jede Kuh bringt ihrem Kalb bei, wie man richtig lebt. Wir sind die einzige Art, die ihren Kindern beibringt, wie man nicht überlebt."
(Quelle: Zeitschrift: "Cicero", 1/2010, S.65)
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