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Schlossmuseum oder wie Kultur privatisiert wird

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14 Jahre 3 Monate her - 14 Jahre 3 Monate her #2897 von Rosenbaum
Die Befürchtungen der Personalvertretung ist bereits überaus real:

Sorge um die Zukunft der Landesgeschichte

Personalrat des Landesmuseums befürchtet Schwächung durch Kooperation mit der Schlossmuseum-Stiftung
...
Wulf Otte, Wissenschaftler im Landesmuseum, erläutert: "Wenn es in dem neuen Museum tatsächlich nur um die Geschichte des Schlosses ginge, hätten wir nichts dagegen. Aber hier soll offenbar die gesamte Landesgeschichte, die bei uns in den Händen kritischer Wissenschaftler liegt, von einem Gremium von Freizeit-Historikern übernommen werden.
www.newsclick.de/index.jsp/menuid/9759657/artid/12866506
(Hervorhebung von mir)


So ist es, das Schlossmuseum wird - wie bereits eingangs berichtet - von einer privaten Einrichtung unter Oberkontrolle von Richard Borek übernommen. Es geht dieser Gruppe um Borek und Hoffmann um das Festzurren ihrer eigenen, ganz privaten Vorstellung von Braunschweiger Identität.

Eine Kostprobe, was darunter zu verstehen ist, wurde bereits anlässlich der Quadriga-Feierstunde vor zwei Jahren in kleinem Kreise zelebriert:


(aus: Unser-Braunschweig, Nr. 1, April 2009)
Es gilt, eine offene bürgerlich-demokratische Geschichtskultur vor dem Zugriff privater Ideologien mit Denkmustern verquaster autokratischer Geschichtsvorstellungen und damit verbundener Geschichtsklitterung zu bewahren
Letzte Änderung: 14 Jahre 3 Monate her von Rosenbaum.

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14 Jahre 1 Monat her - 14 Jahre 1 Monat her #3277 von Rosenbaum
Wie jetzt eine Akteneinsicht zum Schriftverkehr für die Abfassung des Museums-Vertrages zwischen Braunschweig und dem Landesmuseum ergab, sollte das Land noch eine Art Kniefall vor dem Throngehabe Hoffmanns und Boreks absolvieren.

So wollte man vom Landesmuseum in den Leihvertrag vom 23.7.2010 über fürstliche Sitz- und Liegemöbel (Bett und Thron des Fürsten) zusätzlich noch eine "Wohlverhaltensklausel" unterschrieben bekommen:

Das Braunschweiger Landesmuseum ist gehalten, auf schutzwürdige Interessen der Stadt insbesondere auf deren Ruf und Ansehen sowie auf Sinn und Prestige des Schlossmuseums Rücksicht zu nehmen


Diese Kröte schluckte allerdings das Land nicht; auch nicht geschluckt wurde das Ansinnen der Stadt, die Entleihungen von Exponaten aus Landesbesitz gleich über eine Laufzeit von 30 Jahren festzuschreiben, jetzt sind es laut Vertrag vom 23.7.2010 immerhin noch 20 Jahre mit anschließender jährlicher Verlängerung oder Kündigung.

Was allerdings nun festgeschrieben wurde ist ein Übergang der Vertragspartnerschaft auf die private (Borek´sche) Stiftung Residenzschloss Braunschweig gemäß § 15 des Vertrages, wo drinsteht:
"Mit Konstituierung der Stiftung Residenzschloß Braunschweig als Träger des Schlossmuseums geht der Vertrag in unveränderter Form auf diese über."

Die Kosten der Einrichtung des Schlossmuseums sowie der Restauration der Exponate (Möbel aus dem ehemaligen Fürstenhaus) trägt also die Stadt, übergibt das Ganze dann aber zur weiteren inhaltlichen Gestaltung unrückholbar an diese in der Gründung befindliche private Stiftung.

Die Sorge um die Interpretationshoheit von Geschichte des Landes und der Stadt ist weiterhin mehr als berechtigt:
www.newsclick.de/index.jsp/menuid/9759657/artid/12866506 [/size]
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14 Jahre 1 Monat her #3279 von Helmhut
Aus dem Artikel der Braunschweiger Zeitung

"... hier soll offenbar die gesamte Landesgeschichte, die bei uns in den Händen kritischer Wissenschaftler liegt, von einem Gremium von Freizeit-Historikern übernommen werden."


Landes- und Stadtgeschichte privatisiert - mit einem Hauch Geschichts"lenkung" in den Augen Boreks oder Biegels? ...
wurde im Mittelalter schon durch die absolutistischen Herrscher (heute würde man Diktatoren sagen) mittels gekaufter Chronisten betrieben, in Braunschweig ist das offenbar nun auch möglich.

Was wird die restliche Fachwelt der Historiker und Wissenschaftler über diese Provinz-Hobby-Historiker wohl sagen?


Gruß
Helmhut

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13 Jahre 7 Monate her #4421 von bruno
Wie recht doch Helmhut hatte: Braunschweig macht sich weltweit lächerlich. Zur Einweihung des sog. SChlossmuseums am letzten Wochenende ist ein sehr trefflicher Artikel in der TAZ erschienen:

Konjunkturpaket Thronsaal

[...]

Die Räume selbst, sie sind ernüchternd: Revisionsklappen im Rigips, Brand- und Bewegungsmelder sowie Lüftungsschlitze an den Decken. Ein dekoratives Säulenpaar klingt hohl wie aus Pappmaché. Auch das Mobiliar scheint ohne Dramaturgie aneinandergereiht. Und dann immer der Blick nach draußen: ein Fischimbiss, ein lokaler PC-Händler, ein Herrenausstatter werben hautnah vis-à-vis im neuen Shopping Center - da helfen auch die Draperien am Fenster nicht so recht.

85 Prozent der Einrichtungsgegenstände sollen Originalstücke aus dem ehemaligen Schloss sein, zur Verfügung gestellt von Museen und Privatsammlungen. Einiges davon wurde 2005 auf der spektakulären Auktion im Welfenschloss Marienburg ersteigert. Damals kamen etwa 20.000 Gemälde, Waffen, Uhren, Rüstungen, Silber, Porzellan und anderes aus Kellern und Dachböden der Welfenprinzen unter den Hammer - und brachten dem klammen Hause rund 44 Millionen Euro ein.

Die Räume aber, in denen diese Versatzstücke nun drapiert sind, wurden frei erfunden: Ein Berliner Architekturbüro für Denkmalpflege und eine - aufgabengerecht selbst adelige - Innenarchitektin aus Stuttgart haben eine so nie da gewesene Enfilade ersonnen, eine Flucht von Räumen, als deren End- und Höhepunkt der auferstandene Thronsaal Herzog Wilhelms dient. Das Ganze wird verkauft als "Raumkunstmuseum", dessen Aufgabe ein "Raumerlebnis" ist, das zur "Stärkung der braunschweigischen Identität" beitragen soll - von seriöser Ambition musealer Geschichtsvermittlung also keine Spur.

Gut drei Millionen haben der Innenausbau und die Einrichtung des Museums direkt neben dem Shopping Center in der Braunschweiger Schlosskulisse gekostet. Davon übernahmen heimatverbundene Sponsoren den Löwenanteil, die Kommune rund 900.000 Euro und sogar aus dem staatlichen Konjunkturpaket II flossen knapp 300.000 Euro. Womit man andernorts marode Schulen saniert hätte: In Braunschweig floss es in die Nachbildung von sechs ehemals herzoglichen Sälen und einem Vestibül. Auf den laufenden Kosten übrigens bleibt die Stadt alleine sitzen, in einer Ratsvorlage wurden sie mit 235.000 Euro jährlich beziffert. Aber es dürfte, schon wegen arg niedrig angesetzter Budgets für Wechselausstellungen und eine eine halbe Kuratorenstelle, alles noch deutlich teurer werden.

www.taz.de/1/nord/kultur/artikel/?dig=2011/04/12/a0002&cHash=7220a72b58


Genauso ist es:
"aus dem staatlichen Konjunkturpaket II flossen knapp 300.000 Euro. Womit man andernorts marode Schulen saniert hätte: In Braunschweig floss es in die Nachbildung von sechs ehemals herzoglichen Sälen und einem Vestibül."

Höchste Zeit, mit dem Unfug Schluss zu machen, der die Öffentlichkeit auch noch teuer zu stehen kommt.

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13 Jahre 7 Monate her - 13 Jahre 7 Monate her #4430 von Helmhut
Jugend-Leidkultur in BS: Nichts Peinliches ist uns fremd
OB sieht Herrscherkult als Jugend-Orientierung

Nec aspera terrent
„(Selbst) Schwierigkeiten (wörtlich: die rauen Dinge) schrecken uns nicht.“ – Wahlspruch der Welfen und Minentaucher
Braunschweigs PR-Gilde nimmt sich wohl gerade diesen Welfenwahlspruch zum Motto, der Oberbürgermeister weiht Kaufhäuser und ruft Fassaden zu Orientierungshilfen für unsere Jugend aus. Nichts Schreckliches, nichts noch so unbeholfen Raues, nichts Zurechtgestutztes ist uns fremd oder peinlich genug, sondern gut geeignet, die Stadt bis weit ins Land hinaus, noch lächerlicher zu machen.


War Badezimmergrün gerade im Angebot?


Noch nicht mal gerade - lieblos aufgereihte Gemälde, das freut die Handwerkskammer!


Wo sind die Kleider- und Schuhschränke? - fragte eine Dame

Meine Güte, es ist nur eine recht beliebig zusammengeklaubte Ansammlung musealer Säle mit Thronstuhl, dessen Interieur wie eine etwas muffige Theaterdeko und reichlich antiquierter Staffage wirkt. Alles irgendwie zusammengetragen, Rumpelkammern haben eine ähnliche Aura. Daran sollen sich also junge Leute erfreuen und sogar orientieren, wo nebenan im Konsumtempel neue farbfrische und bequemere Dinge des Alltags, Internet, Lektüre und Reiseangebote ins Cosmopolitische warten? Die Zeit der Aufklärung winkt nebenan, während man museal den Feudalismus anbietet. Und was haben wir eigentlich davon, wenn sich unsere Jugend denn wirklich am Feudalismus orientiert? Generieren wir dabei nicht etwa noch mehr zu Guttenbergs oder herrische FDP-Youngsters, die feudal agieren und uns Wahlvolk für dumm verkaufen wollen? Was also hätten wir davon?

„Unser Schloss ist kein Kaufhaus..." meinte Oberbürgermeister in seiner Eröffnungsrede zum neu eröffneten dortigen Museum. Dies kann nur jemand behaupten, der das Gebäude noch nie von innen gesehen hat. Der hiesige Oberbürgermeister jedoch dürfte es von innen kennen.
Das Einkaufszentrum sei "hinter dem Schloss.“ Und um da hinten hin zu kommen, muss man eben vorne durch rekonstruierte Konsumgüterausstellungen des 21. Jahrhunderts laufen.

Angekommen, wo man hinwollte - Orientierung für die Jugend?


"Man sei nun jetzt dort angekommen, wo man hingewollt hätte, so der Oberbürgermeister. "Originale Fassade und Innenräume. Jungen Menschen könne das Schloss-Museum Orientierung in ungewisser Zeit bieten." Wohl denn, dann soll sich unsere Jugend an hochherrschaftlichem, biederen Prunk, an künstlicher Fassade und vor allem am Konsum orientieren? Soll, nachdem man sie wirtschaftlich immer mehr bevormundet und abhängt, nach dem Bild und Leitmotiv der Welfen streben, einem Ideal nachjagen, das für Unterdrückung und Feudalismus steht?

Wie wir wissen, ist der Herr Oberbürgermeister ja schon immer sehr an der neuen deutschen Jugend und deren Orientierung interessiert. Bereits in seiner NPD-Jugendsünden-Ära wendete er sich an "die deutsche Jugend". Es geht also weder um Historie noch um Kultur und deren Pflege, sondern um Prägung, Revisionismus und Disziplinierung unserer Jugend, hin zu Herrscherverehrung und feudalistischen Idealen.
Und um die Nähe zu Adeligen und Herrscherkaste zu vervollkommnen, begrüßte der nichtadelige Meister unter den Bürgern Braunschweigs dann auch einen abgedankten Herzog von Braunschweig-Lüneburg aus Hannover zur Eröffnung dieser Farce. Auch die Ministerin für Kultur musste Positives äußern, lobte die zentrale Lage, so direkt neben einem Einkaufszentrum. Wie passend, hier Ortsfremde einzuladen, die dann vor Fassaden und Kulissen solche Lobeshymnen singen. Die waren wohl nicht im Kauftempel.

Leider mangelte es an genügend Volk und -empfängern bei der Eröffnung. Es waren nur zwischen 500 bis 800 Untertanen zugegen. Davon mehrheitlich Orientierte, also eher alte Welfentreue und eher keine Jugend. Die Jugend war während dieses Bühnenstückes los, sich anderswo zu orientieren.


Gruß
Helmhut
Letzte Änderung: 13 Jahre 7 Monate her von Helmhut.

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13 Jahre 7 Monate her - 13 Jahre 7 Monate her #4439 von Helmhut
"Schloss und -museum" -
Braunschweigs Scheuklappen und was andere sehen


Bereits zum Braunschweiger Bau bzw. der Rekonstruktion eines "Schlosses" gab es unzählige Pressestimmen aus den Reihen von Kunst- und Architektursachverständigen.



Fassaden und abschreckendes Beispiel

"Herausgekommen ist der architektonische Zusammenprall zweier Welten, die (...) nicht miteinander harmonieren. (...)Ein kommunales Kulturzentrum von 13 000 Quadratmetern, untergebracht in zwei Schlossflügeln hinter rekonstruierten Fassaden; ein „schlossähnlicher“ Innenausbau samt "Thronsaalrekonstruktion" durch die "Berliner Spezialisten" Rupert und York Stuhlemmer. (...)Ein riesiger Baukörper, dreimal voluminöser als das eigentliche „Schloss“. Einer der Haupteingänge führt durchs Mittelportal der Schlossfassade und stößt schon nach fünf Metern auf das Allerweltsdesign moderner Ladengalerien. Dazwischen: eine Brandmauer, die zwischen den verschiedenen Geschosshöhen beider Bauteile kompliziert verspringt und bauliche Unabhängigkeit voneinander suggeriert, aber nicht schafft.
Das Ensemble kostet die Stadt Millionen Euro Jahresmiete. Demnächst hält Wilhelm von Boddien, der Promoter der Berliner Schlossrekonstruktion, einen Vortrag in Braunschweig. Sein Thema: Kann Berlin von Braunschweig lernen? Man wird wohl sagen müssen: höchstens als abschreckendes Beispiel."
www.tagesspiegel.de/kultur/fake-und-fassade/798118.html

Nur eine Mogelpackung und Attrappe

Historisierende Rekonstruktionen sieht das Art-Magazin als "notwendiges Übel". "Selbst Puristen haben gelernt, damit zu leben – vorausgesetzt, es geschieht sorgfältig, historisch korrekt und die Nutzung passt. Gelungene Beispiele sind die Dresdner Frauenkirche oder die Brücke in Mostar – beide für die jeweiligen Bürger zudem wich­tige Identifikationspunkte. Braunschweig kann sich mit seinen Schlossarkaden auf keines dieser Argumente berufen."

Man wundert sich keineswegs darüber, dass sich die Stadtväter wieder nach etwas Glanz sehnten. Bloß: "Was sie bekommen haben, ist keine Rekonstruktion, sondern eine Attrappe.
Kaum ist der Besucher durch das Hauptportal getreten, landet er, nur zehn Meter weiter, zwischen Windeln und Waschpulver. (...) handelt es sich dabei um Neubauten mit zusätzlichen Geschossen und einer völlig anderen Raumabfolge, die mit dem Original kaum etwas zu tun haben. Zweitens ändert das nichts daran, dass sich hinter den Arkaden kein Schloss befindet, sondern ein Kaufhaus. Von einer Rekonstruktion kann also keine Rede sein. Hier handelt es sich schlicht um eine Mogelpackung.

Kritisches Geschichtsbewusstein? Nur eine Nebenrolle

Der Kunsthistoriker Nikolaus Bernau hat in der Berliner Zeitung (1.9.2004) die Braunschweiger „Schlosspläne“ folgendermaßen kommentiert:
Kritisches Geschichtsbewusstsein und wirkliche, Material und Plan umfassende Architekturliebe spielen wie in vielen Rekonstruktionsdebatten nur eine Nebenrolle. Das zeigt sich daran, wie die Schlossrekonstruktion realisiert werden soll. Weil Braunschweig genau so pleite ist wie die meisten deutschen Städte, wurde der Schlosspark verkauft, damit die Hamburger Firma ECE hier ein Einkausfzentrum errichten kann. Und vor dieses alle Braunschweiger Innenstadtproportion sprengende Projekt, entworfen vom Berliner Architekturbüro Grazioli + Muthesius, stellt die ECE die Schlossfassade.

Grotesk: Doppelalbtraum und Heimsuchung

Hanno Rauterberg, ebenfalls Kunsthistoriker, schrieb in der Zeit (9.6.2004) unter der Überschrift "Wo bleibt der Mut?":
„Es war eine Frage der Ehre: Wer als Architekt auf sich hielt, der war entschieden gegen monströse Einkaufszentren, gegen den Wiederaufbau verblichener Monumente und erst recht gegen den Doppelalbtraum, der gerade Braunschweig heimsucht – eine Schlossrekonstruktions-Shopping-Mall. Doch neuerdings lösen sich selbst diese eisernen Überzeugungen auf. Von der Auftragskrise geschüttelt, verraten sogar bekanntere Architekten ihre Glaubenssätze. ... Auch die Wettbewerbssieger Alfred Grazioli und Wieka Muthesius galten bislang als redliche Modernisten – und beteiligen sich nun doch an einem Vorhaben, das in seiner Ästhetik grotesker kaum sein könnte und zudem das ohnehin schwächelnde Leben der Braunschweiger Innenstadt akut gefährdet.
Dass man überhaupt auf die Idee kam, das Schloss wiederaufzubauen, (...) ist schon aberwitzig genug. Vollends absurd wird der Plan indes dadurch, dass der Rat die Neuresidenz zwar (mit nur einer Stimme Mehrheit) beschlossen hat, diese aber von der Stadt gar nicht gebaut wird."

Neue Feudalherren in die Stadt geholt

Weil das Geld fehlt, holt man sich einen "neuen Feudalherrn in die Stadt, den Shopping-Regenten ECE, der ein gigantisches Glasgeschwür, ein 30000 Quadratmeter großes Einkaufszentrum, das den gesamten Park überwuchert und aus dem einstigen Schloss-Solitär ein Anhängsel macht. Wer künftig das stolze Mittelportal des Schlosses durchschreitet, der tritt ein in eine Welt der Boutiquen, Dönerbuden und Kaufhausketten. Er gelangt in das Königreich namens Konsum. (...)

Dieses wird der Innenstadt, die schon jetzt über Leerstände klagt, bitter fehlen. Doch statt diese Verluste auszugleichen, subventioniert der Rat die neue Konkurrenz auch noch. Der gesamte Erlös aus dem Verkauf des Schlossparks, immerhin 35 Millionen Euro, wird dafür ausgegeben, das Umfeld der ECE-Glasburg zu verschönern und das Schloss möglichst authentisch aussehen zu lassen. Damit die alten Bruchstücke der Fassade, ausgebuddelt in einer Kleingartensiedlung, auch wirklich sorgfältig in den Neubau integriert werden, schenkt die Stadt Braunschweig dem ECE-Konzern 13 Millionen Euro.“
www.birdstage.net/braunschweig01_08.html

Museum Türöffner zum Einkaufszentrum

Und trotz der Beteuerungen des Braunschweiger Oberbürgermeisters, dass weder ein Kaufschloss noch Fassaden in Braunschweig stehen, titelt die unabhängige, nicht lokal gesteuerte Presse immer noch von Einkaufszentrum und sogar darüber, dass das neu eröffnete Museum sozusagen ein Türöffner für den örtlichen Konsum - also doch Kaufschloss - sei:
"Neues Schlossmuseum öffnet Türen im Einkaufszentrum"
www.welt.de/print/die_welt/hamburg/article13085823/Kompakt.html

„Niemand muss an Schlüpfern und Schuhen vorbeigehen, um zu uns zu kommen“

"Der schöne Schein der Vergangenheit -
In Braunschweig darf sich der Kunde wie ein König fühlen. Hinter der ehrwürdigen Fassade des alten Residenzschlosses verbirgt sich nämlich kein Thronsaal, sondern ein Einkaufszentrum.
„Ein tolles Gebäude, viel harmonischer als der Buckingham Palace“, schwärmte Heinrich Prinz von Hannover, als das ECE-Center im Mai 2007 feierlich eröffnet wurde."
Auch ein wenig Kultur sollte in den Vorbau Einzug halten. Dazu wurden Bibliothek, Stadtarchiv und nun auch das "Schlossmuseum" eingerichtet. „Niemand muss an Schlüpfern und Schuhen vorbeigehen, um zu uns zu kommen“, betonte Fachbereichsleiterin Anja Hesse. „Wir sind vom Einkaufszentrum hermetisch abgeriegelt.“

In das neugeschaffene Pseudoschloss fließen angeblich Ströme von Interessierten. "Zum Renner entwickelte sich vor allem die Bibliothek", kein Wunder, wenn man Bestände zusammenzuführt , die bisher auf drei Standorte verteilt waren. Andernteils ist es nun mal ein Kaufhaus, das hier Kundenströme verzeichnen kann.
„Man kann sich praktisch durch die Geschichte fressen“, sagt die Kulturamtsleiterin Anja Hesse, wenn sie auf die Monitor-Gedecke der so genannten "Weißen Tafel" hinweist. Dabei werden auch Informationen serviert, die nicht so bekömmlich sind – etwa, dass die Nazis eine SS-Junkerschule im Schloss etablierten, „um deutsche Menschen zu SS-Führern heranzubilden“. Auf einer Fürstenberg-Vase wird das entsprechende Himmler-Zitat zu lesen sein.
www.haz.de/Freizeit/Ausfluege/Schloesser-Burgen/Der-schoene-Schein-der-Vergangenheit

Doch Hannovers Presse distanziert sich am Ende auch vom Braunschweiger Fassaden-Zauber. "Ein Einkaufszentrum aber wird die Herrenhäuser Gärten nicht verhunzen – schließlich geht es hier nicht nur um die Rekonstruktion einer Fassade."

Aus einem Schloss wird - plump - ein Kaufhaus

"In Braunschweig wird aus einem Schloss eine Shopping-Mall gemacht. Die Denkmalpflege ist unbeteiligt. Fluch oder Segen?
(...) Das ist ein 200 Millionen Euro teures Projekt, das aus der ehrgeizigen Fassadenrekonstruktion des Stadtschlosses besteht - und dazu aus einer damit plump verbundenen, teilweise ins Schloss hineingebauten Shopping-Mall.
(...) Es gab offenbar eine Ära, die sich aggressiv gegen jede Form von Ständesymbolik richtete. Heute ist es umgekehrt: Der großen Sehnsucht nach Schuluniformen und Benimmkursen kommt jede repräsentative Schlosskulisse recht, um sich darin einzurichten.

Kein Schloss und keine Arkade, nirgends

Es heißt zwar Schloss-Arkaden, aber weder Schloss noch Arkaden sind zu entdecken. Auch die Denkmalpflege war daran leider unbeteiligt: "was etwa dem früheren Ballsaal auf grotesk verknotete Weise anzusehen ist, der sich heute entgegen seiner früheren Raumpracht unter ein Archiv ducken muss."
www.sueddeutsche.de/kultur/staedtebau-versus-kommerz-aus-einem-schloss-wird-ein-kaufhaus-1.897008

Das "Schlossmuseum"

Ähnlich wie bei der Attrappenlüge, ist auch die Ausstattung des so genannten Schlossmuseums gelungen, welches uns doch die damaligen herzoglichen Lebensräume hautnah vermitteln soll.

Ohne Dramaturgie aneinandergereiht

"Die Räume selbst, sie sind ernüchternd: Revisionsklappen im Rigips, Brand- und Bewegungsmelder sowie Lüftungsschlitze an den Decken. (...)" - wohl alles aus herzoglicher Zeit? Ein dekoratives Säulenpaar klingt hohl wie aus Pappmaché, heißt es. Dies scheint auch im Eingangsbereich so zu sein.

"Auch das Mobiliar scheint ohne Dramaturgie aneinandergereiht. Und dann immer der Blick nach draußen: ein Fischimbiss, ein lokaler PC-Händler, ein Herrenausstatter werben hautnah vis-à-vis im neuen Shopping Center - da helfen auch die Draperien am Fenster nicht so recht.

Ersonnene Enfilade

Die Säle und Räume aber, "in denen diese Versatzstücke (hier sind die erkauften und gesammelten Exponate gemeint) nun drapiert sind, wurden frei erfunden: Ein Berliner Architekturbüro für Denkmalpflege und eine - aufgabengerecht selbst adelige - Innenarchitektin aus Stuttgart haben eine so nie da gewesene Enfilade ersonnen, eine Flucht von Räumen, als deren End- und Höhepunkt der auferstandene Thronsaal Herzog Wilhelms dient. Das Ganze wird verkauft als "Raumkunstmuseum", dessen Aufgabe ein "Raumerlebnis" ist, das zur "Stärkung der braunschweigischen Identität" beitragen soll - von seriöser Ambition musealer Geschichtsvermittlung also keine Spur.

Gut drei Millionen haben der Innenausbau und die Einrichtung des Museums direkt neben dem Shopping Center in der Braunschweiger Schlosskulisse gekostet. Davon zahlte die Kommune rund 900.000 Euro und sogar aus dem staatlichen Konjunkturpaket II flossen knapp 300.000 Euro." (...)

"Womit man andernorts marode Schulen saniert hätte: In Braunschweig floss es in die Nachbildung von sechs ehemals herzoglichen Sälen und einem Vestibül. Auf den laufenden Kosten übrigens bleibt die Stadt alleine sitzen, in einer Ratsvorlage wurden sie mit 235.000 Euro jährlich beziffert. Aber es dürfte, schon wegen arg niedrig angesetzter Budgets für Wechselausstellungen und eine eine halbe Kuratorenstelle, alles noch deutlich teurer werden.

Ein leibhaftiger Welfe ist ganz hinten im Thronsaal anzutreffen: Prinz Heinrich aus Hannover schwärmt von den vielen dynastischen Portraits aus der Marienburg, die nun alle hier wieder zusammen hingen. Und er erzählt von der Stolpergefahr, die der Thron mit seinen zu knappen Stufen berge. Den habe er einst Ministerpräsident Glogowski empfohlen, als Training zum Stürzen sozusagen. Wie er denn nun den Blick nach draußen finde, wird gefragt. "Ich schaue eh nicht gern raus", antwortet der Prinz sibyllinisch, "und schon gar nicht hinunter."
www.taz.de/1/nord/kultur/artikel/?dig=2011/04/12/a0002&cHash=7220a72b58

Der Seitenhieb auf Glogowski kommt nicht von ungefähr. Glogowski ist als Ehrenbürger Braunschweigs am Entstehen dieser Fassaden und Raumkünsteleien entschieden mit beteiligt.
"Für die genannte Vorlage stimmten nicht nur CDU und FDP, sondern bedauerlicherweise auch die sich immer "staatstragender" gebärdende SPD. Ob das daran liegt, dass im Vorstand der Schloss-Stiftung auch ein Vertreter der Stiftung Nord/LB-Öffentliche sitzen soll? Deren Vorstandsvorsitzender ist der ehemalige Oberbürgermeister und Ex-Ministerpräsident Gerhard Glogowski (SPD).


"Kritischere Presse"-Stimmen aus Braunschweig

Martin Jasper kommentierte in der [url=http://www.newsclick.de/index.jsp/menuid/12468498/artid/13994931
]Braunschweiger Zeitung[/url]:
"Braunschweig ist ja nicht nur eine ehemalige Fürstenresidenz, sondern auch eine stolze Bürgerstadt. Insofern gereicht es vielen Bürgern zur Ehre, dass sie sich im Vorfeld des Schlossbaus und der Inszenierung einstiger Herzogsherrlichkeit im Schlossmuseum gegen eine unkritische Verklärung des braunschweigischen Feudalismus wandten."
Genutzt hat es jedoch bisher wenig. Die Fassaden stehen, das Einkaufszentrum ebenfalls und nun werden wir durch Raumkünste geführt, die mit den historischen Begebenheit recht wenig zu tun haben - also auch dort Vortäuschung falscher Tatsachen und unkritische Verklärung in allen Reko-Winkeln.

Doch Jasper muss wohl loben, ob er will oder nicht. So versucht er, enttäuschte wissenschaftlich und historisch interessierte Schlossmuseumsbesucher auf andere Braunschweiger Museen zu vertrösten bzw. hilft emsig, schnöden Kommerz besser zu verkraften.
Wer an wirklichen historischen Belegen interessiert ist, der könne "das dann umfassend und kritisch im Landesmuseum" befriedigen. "Auch ist wenig dagegen zu sagen, im Schloss, das größtenteils mit schnödem Kommerz gefüllt ist, zumindest eine Ahnung davon zu vermitteln, wie es einstmals darin ausgesehen hat." - Rein äußerlich - halbwegs - mindestens!

Aber selbst Jasper kommt am Ende nicht umhin, eine halbwegs ironische Spitze gegen den post-feudalistischen Meister abzuschießen: "Vielleicht sollte Braunschweigs Oberbürgermeister, dem ja zuweilen eine etwas post-herzogliche Attitüde zugeschrieben wird, sich beim heutigen Pressetermin im Thronsessel ablichten lassen."

Ob das jedoch dem Ganzen eine entspannte oder gar selbstironische Pointe geben würde, bleibt angesichts anderer OBrigkeits-Ermächtigungen und Amtserhöhungen fragwürdig. Vor allem in den Augen der sonstigen Welt, die sich ja angeblich außerhalb Braunschweigs Rathausmauern befinden soll, wie Außenstehende meinen.

Gruß Helmhut
Letzte Änderung: 13 Jahre 7 Monate her von Helmhut.

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