Lust auf "Helden müsst ihr sein"?
Neulich hatte ich Lust auf Fußball, bin ja kein beinharter Fußballfan, sehe mir nur gelegentlich die Eintracht an.
Wir schreiben das Jahr 2013, die Eintracht wird demnächst natürlich weiter aufgestiegen in die Bundesliga, klar!
Damit rückte sie nicht nur weiter auf sondern auch in den Fokus weiterer und erhöhter Interessenlagen, auch klar!
Ich also telefonierend erstmal ein Ticket bestell, wobei man mir sämtliche persönlichen Daten nebst Name meiner Begleitung aus dem Unterhemd zu locken versuchte. Was soll's, dachte ich, die paar Daten haben die ohnehin von der Braunschweiger Einwohnermeldebehörde; die können 'se gerne haben. Also rüber-rück mit Vor-, Zu-, Zweit- und Nachnamen, Geburtsdaten und -ort, Anschrift und Wohnort, Telefonnummer hatten die ja ohnehin von mir auf dem Display, weil ich zu faul war, die Funktion des Nummernversteckens einzusetzen.
Dann noch die Namen meiner Begleitung - ebenfalls das volle Datenpackage, wobei ich mir bei den Geburtsdaten und auch, ob ich diese Fremddaten denn hätte weiterplaudern dürfen, nicht mehr ganz so sicher war. Die haben sich ohnehin schon beschwert wegen der vielen Werbemails und Postwurfsendungen hinsichtlich ihrer sportlichen als auch restlichen Interessen.Egal, ich wollte ein Ticket und zum anstehenden wichtigen Spiel, verständlich!
Dann aber ein Rückruf und erste prüfende Rückfragen an meinereiner. Ob ich mein Bußgeld denn mal nicht schnell noch vorher bezahlen wolle, welches ich mir aufgrund Falschparkens in der immer vollgestopften Innenstadt vor zwei Wochen einkassiert hatte.
Okay, ich überwies dann mal schnell das Bußgeld und rief deswegen gleich die Ticket-Hotline an (nur 0,56 Cent/Festnetz).
Nach etwa 15 Minuten Eintracht-Songs und Warteschleife war ich schon mit meinem zuständigen Ticket-Sachbearbeiter verbunden, der mir dann endlich ein Ticket versprach und mir gleich noch die Sicherheitsregeln, welche es bei Ankunft und Aufenthalt im Eintracht-Stadion zu beachten galt. Es ging um vorgeschriebene, verbotene Kleidung und Accessoires als auch Getränke und Nahrungsmittel. Okay, ich wusste dann nach einer weiteren halben Stunde Hotline, dass nix is mit Selbstversorgung, wohl aber mit dicker Geldbörse, die ich mitzuführen hatte und zudem, dass meine Telefonrechnung diesen Monat etwas höher als üblich sein würde.
Danach rief mich einer meiner vorgesehenen Begleiter, ein Freund an, und teilte mir enttäuscht mit, dass er nicht mitkommen könne. Warum? Weil er weder Geld genug hatte und auch, weil er neulich bei einer Kneipenschlägerei Zeuge war, die Sache aber noch nicht geklärt sei, ob er nur Zeuge gewesen ist. Bevor diese "Gewalttat" nicht restlos geklärt sei, sei er potenzieller Gefährder und für den Aufenthalt in einem Fußballstadion disqualifiziert. Schade, dachte ich da.
Ich dann alleine zum Spiel. Am Eingang zückte ich mein RFID-gefüttertes silberbedampftes Ticket für einen teuen Stehplatz und war angesichts der dort herrschenden Sicherheitsvorkehrungen angenehm überrascht, wozu denn mein investiertes Geld alles genutzt wurde. Da fühlte ich mich als Gast dort doch zunehmend sicherer.
Ich wurde zunächst an einem Apparat vorbeigeschleust, welcher dem am Pixi-Foto-Stand-Knisper auf dem Hbf glich. Wollte sogar reflexartig nett lächeln, was mir aber der herbe Sicherheitstyp mit der Glatze derb untersagte. Ich solle mal schön ernst und gerade da reingucken, lautete der servicefreundliche Befehl.
Dann studierte der Glatzenmann umständlich lange sein Beigerät, welches diesem Scanning die Daten entlockte, was einige Zeit dauerte. Hinter mir und an den anderen Einlässen natürlich extreme Staus. Aber egal, ich wollte ja zum Freizeitvergnügen schlechthin, dem Spiel, wo man sich mal so richtig entspannen kann. Freizeit ist wichtigstes Gut, auch wenn man keine Arbeit hat. Man hat ja sonst nix!
Nach gefühlten zehn Minuten - infolge technischer Übertragungsschwierigkeiten - gab man mir endlich Signal, das Drehkreuz zu passieren. Alle guckten schon nach mir, es war wie Spießrutenlaufen, aber ... egal, ich wollte ja... Sie wissen's ja schon!
Schrilles Klingeln und ein Blaulicht-Topper oben auf dem Drehkreuzrahmen kennzeichneten meine Person als nicht unbedenklich. Ich selbst hatte sogar unvermittelt und plötzlich Bedenken gegen mich. Was war falsch an mir? Ach, die Autoschlüssel - nee, besser gesagt, ich hatte das kleine Fingernagelset mit der spitzen Feile vergessen und den Zierschraubenschlüssel, welcher mir als Flaschenöffner diente.
@x*+@!'@ö'+...
Wie bitte? - der finster dreinblickende Glatzenmann.
Äh, ach nichts, die Sachen hatte ich völlig vergessen. Tschuldigung!
Er öffnet ein Spindfach, hält mir einen Bon mit Nummer hin und zockt mir 1 Euro ab fürs Aufbewahren. Ich zahle, weil ich nicht zurück zum Auto gehen möchte durch die lange Schlange zurück und bin meine gefährlichen Gegenstände los.
Endlich! Komme gerade noch völlig verschwitzt zum Anstoß. Na wenigstens habe ich den blödsinnigen Werbetrailer verpasst, der vor den Spielen und während der Halbzeit immer die Anzeigetafel ziert. Es geht looo-oooos! Volles Haus!
Um's kurz zu machen. Das Spiel war große Klasse. In den Kurven jedoch bald Rangelei, bald bengalische Feuer (woher die kamen, weiß nur der Fußballgott, wahrscheinlich im Hintern mit geschmuggelt?). Vor mir dauernd Gestupse, weil die Sicherheitskräfte durch die engen Gänge durchmussten, um die Krawaller zu erreichen. Schon gut, dass man die jetzt gescannt hat. Da weiß man ja gleich, wer da was getan hat.
Als ich dann irgendwie einen Ellenbogen ins Gesicht bekomme, wird mir schwarz vor Augen. Als ich dann wieder aufwache, finde ich mich inner Minna wieder zum Abtransport auf die Wache, wie ich von meinen Mitreisenden erfahre. Ich bekomme in dieser Enge ohnehin nur schwer Luft durch meine tennisballgroße Omme. Die anderen tragen teilweise ebenfalls Blessuren. Wir sind schon Helden, was?
Auf der Wache dann Ausweiskontrolle, Befragung und ich darf nach einigen Stunden gesiebter Luft nochmal gehen. Der Verdacht liege extrem nahe, dass ich mitgemischt habe, was ich aber energischt bestreite. Das kann ebenfalls als Gewaltbereitschaft ausgelegt werden, wie ich nun erfahre. Ich besänftige meinen Tonfall und ordne meine Wortwahl, damit man mich auch entlässt und ich nach Hause kann. Morgen früh muss ich ja früh raus. Hunger habe ich auch und meine Klamotten sind zerrissen. Dabei war ich nur Zuschauer.
Nun droht mir eine Anzeige, weil nicht ganz klar ist, wie ich in diese "gewaltbereite Gruppierung" hineingeraten bin. Aber, da bin ich ganz zuversichtlich. Die Überwachung, der Scanner und all das, wird feststellen, wer der Schuldige ist. Da bin ich mir ganz sicher, weil zweidimensionale Bilder ja so was von zuverlässig rüberbringen, wer mich da involviert hat und die Bengalenfackeln durch die Sicherheitsschleusen gebracht hat - oder?
Gottlob! Das ist C wie Zukunft, Leute!
C wie Zukunft, Lorenz Caffier
, der Vorreiter und Hüter des Rechts, auch Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, der seit Januar auch Vorsitzender der Innenministerkonferenz ist, ist unser Mann! Und unser Schünemann hat nachgezogen, die Eintracht ist sicher - soviel ist sicher!
Sind wir dabei? In Eintracht - oder sind wir schon Legende, wir Fans?
Olé, ojéh
Helmhut
P.S: In acht Wochen ist die Verhandlung, endlich auch einen persönlichen Strafverteidiger! Alles in allem ein teurer Spaß, egal... Sie wissen schon! Spielgucken is' auch nicht, Sie wissen, wegen "schwebendes Verfahren" und so...