Von Badespaß und Spaßverderbe(r)n -
Zur Geschichte einer bürgernahen Badekultur in Braunschweig
Die Diskussion um die Schließung der Schwimmbäder in Braunschweig zugunsten eines "zentralen Spaßbades" geht schon länger, zu Ende ist sie noch lange nicht. Auch darauf hat das neue Wahlergebnis zur Kommunalwahl natürlich Einfluss.
Wie alles begann - Kleine Rückschau über den Spaß der Braunschweiger an ihrer Badekultur
Ach, wie war es einst so schön am Strand der Oker.
Flupp und schwupps war man im Wasser und hatte Badespaß ohne Not und große Mühe. Und es war kostenlos.
Bürgerpark mit Portikus und Okerstrand um 1900
Bahn-Bade um 1930
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Fotoquelle
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Dann 1859 aber ersann ein kluger Mann, das Baden "salongfähig" zu machen, obwohl gar kein Salon weit und breit in Sicht war am Okerufer und dass die Lust am Bade freilich nicht nicht so überaus salopp, mühelos und schon gar nicht kostenlos sein könne. Beschloss, ein Schild "Bahn-Bade" einzupflocken am Okerstrande, einen bequemeren Einstieg anzulegen und den Badenden für das Vergnügen ein paar Groschen aus den Taschen ihrer Hosen zu ziehen, bevor sie diese dann ausziehen durften, um in ihrer Oker zu baden. Das nannte der kluge Mann dann Gemeinnützigkeit - kommt von gemein!
Quelle
Aber das ist lange her.
Schluss mit lustig - in der Oker!
Die Braunschweiger und Braunschweigerinnen nutzten zunehmend das Bad in der frischen Oker bis 1952, da hat dann
irgendwas das kristallklare Okerwasser und damit auch das gesunde Badevergnügen dann doch so enorm getrübt, dass Schluss war mit Spaß und lustig und so. Die Stadt Braunschweig hat die "Bahn-Bade" kurzer Hand geschlossen.
Gastronomie an der Bahn-Bade um 1920
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Mit der Zeit entstanden Nähe Bürgerpark, wo früher die Bahn-Bade gewesen ist, und auch anderswo ein paar nette kleinere andere Bürgerbäder oder Freibäder, wo man nun seinen Spaß haben konnte. Allmählich hatte man sich ja schon an das gechlorte Wässerchen gewöhnt, das in den Badebecken war. Die von der Industrie getrübte Oker war mit diesen Ausgleichsbecken eher zu verschmerzen gewesen.
Wenn die Papas mit den Kindern - Badespaß an der Bahnbade um 1920
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So investierten die Bürger in ihre inzwischen liebgewonnenen Frei- und Hallenbäder liebend gern ihre Steuergelder, pflanzten sogar recht beschauliche Parkanlagen, Wiesengrün und Kinderspaßgeräte mit viel Engagement und Sorgfalt, je nachdem was sich Besucher und Gäste vor Ort so wünschten, um dem Spaß im Nass noch ein wenig mehr an Kurzweil zu bieten. Das hat nicht nur jahrelang hervorragend funktioniert sondern brachte zudem Zusammenhalt, ein gutes Vereinsleben, Solidarität, ein besseres Miteinander und förderte auch so manches Stolzsein auf die engagiert und freiwillig entstandene Leistung.
Freiwillige Feuerwehr und Jugendfeuerwehr Waggum beim Großreinemachen des Waggumer Freibades
Quelle: Feuerwehr Waggum
Man kümmerte sich oft - sei es durch Einsatz der freiwilligen Feuerwehr oder der dortigen Jugend oder durch die gegründeten Vereine zu Erhaltung in sehr vielen Stunden - auch während seiner Freizeit - um jeden Krümel abblätternder Farbe, um Wiese, jeden Busch, Baum und Blume, um eine sinnvolle Anlage der Gelder, um frische Anstriche und Wasserqualität. Und jedes Jahr zum Anbadetermin im Frühjahr, hatte man es immer wieder aufs Neue geschafft, hinein ins Freibad und auf ins Badevergnügen. Kein Wunder, wie menschlich das doch ist, man wächst ja oft mit den Aufgaben und dann wächst einem doch auch was sehr ans Herz.
Das ging auch den Leuten mit ihrem kleinen, aber feinen Waggumer "Sommerbad" so, wie sie ihr Bad liebevoll nennen.
Die Stadtbad GmbH teilte darum (noch im Mai 2008) mit unverhohlenem Eigenlob mit, zur Zeit investierten zahlreiche Waggumer freiwillig viele Stunden ihrer Freizeit, um unter der Regie der Stadtbad GmbH das Bad saisonfähig zu machen (Braunschweiger Zeitung, 28. Mai 2008, Seite 19).
Daran ist zu sehen, wie sehr die Stadt ihre Bürgerlein bespaßt. Dabei war zu diesem Zeitpunkt schon Beschluss, das schön gepflegte blaue Juwel der Waggumer Gemeinde unterzupflügen. Heissa, das ganze Lob unter die Scholle!
Stadtbadinfo-Bild
Freibad in Waggum, wo selbst die Haifische kinderfreundlich sind!
"Badespaß für die ganz Großen und die ganz Kleinen."
Große Lösung?
Denn im Jahre 2007 des Herrn Oberbürgermeisters aber, waren wohl das
Freibaden und das Hallenschwimmen nicht mehr salonfähig oder "en Vogue", wie man auf neudeutsch so sagt. So wollte man zukünftig große Wellen machen. Der Rat der Stadt beschloss "die Große Lösung" um dem kleinen Spaß am Baden ein Ende zu bereiten.
Nun kam also erneut einer daher und wollte eine Idee einpflocken mit einem Schild "Spaßbad" und die Leute sollte es gefälligst gefallen. Das mit der Hosenrunterlassens-Gebühr war jedoch noch nicht raus.
Großen Spaß aber schien nicht jeder an dieser Großbespaßung zu haben. Es sprachen sich 30.000 Braunschweiger und Braunschweigerinnen gegen die Großlösung aus. Auch die Politiker vor Ort zogen mit - an einem Strang sozusagen - erst einmal!
Die Große Lösung betraf auch das schöne kleine Freibad in Waggum.
Um zu sehen, um was es geht, wenn wir es verlieren, hier ein paar Beschreibungen aus den Reihen derer, die es gerade abschaffen wollen:
"Familiär geht es zu im Freibad von Waggum im Norden Braunschweigs. Das 50 Meter lange Schwimmerbecken ist unbeheizt, doch das stört die Badefreude in keinster Weise. Von der Elefantenrutsche geht es hinein ins Wasser, die Kleinen plantschen im Kinderbecken oder spielen auf der Liegewiese. [ab Babyalter]
Im Freibad von Waggum fühlen sich alle wohl, die es familiär lieben und überfüllte Freibäder lieber meiden.
Das Waggumer Freibad besitzt ein 50 Meter langes Schwimmerbecken, in dem Bahnenschwimmer sich genauso wohl fühlen wie plantschende, hüpfende, spritzende Kids. Kleine Wasserratten lieben ihr Plantschbecken, in dem sie erste Erfahrungen mit dem nassen Element machen.
In der Badepause spielen die Kleinen gerne im Sand, etwas Größere tragen ein Turnier an der Tischtennisplatte aus. Derweil ahlen sich die Eltern in der Sonne und genießen das Sommerwetter.
Einst gab es hier eine Wasserkuhle, aus der ein Badeteich entstand und schließlich Mitte der 30er Jahre das heutige Freibad. In den 60er Jahren wurde erweitert und modernisiert. Die Waggumer lieben ihr Bad und hegen und pflegen es. So bleibt zu hoffen, dass es auch in der Zukunft erhalten bleibt."
"Freibad Waggum Braunschweig
Unter "Familienkultur": Das Freibad Waggum liegt in einer sehr schön gelegenen Stadtrandlage von Braunschweig.
Vor allem Schwimmer und Erholungssuchende werden von dem Freibad angetan sein."
www.deutschland-im-web.de/include/detail.php?id=2847
Freibad Waggum - auch hier nur Lob:
www.familienkultour.de/freibaeder/niedersachsen/freibad-waggum-in-braunschweig
Liebevoll zusammengestellt - Collage einer Mutter, die mit ihrem Kleinkind das Bad erstmals besucht hat - bürgernah und in nur 12 Minuten erreichbar!
"In einer idyllischen Stadtrandlage befindet sich Braunschweigs einziges unbeheiztes Freibad Waggum. Sowohl Schwimmer, wie auch Erholungssuchende fühlen sich in diesem familiären Bad pudelwohl."
www.belocal.de/braunschweig/sport_und_freizeit/freibad_waggum/seite_1,112,22,10559.html
Impressionen und Lob auch hier:
www.waggum.de/bilder/sommerfest_14082011/album/index.html
Selbst Bezirksbürgermeister Kliesch (CDU) machte damals den Waggumer Bürgerinnen und Bürgern Hoffnungen, als er den Defizitbetrag dieses Bades in Höhe von 30.000 Euro jährlich als "lächerlich gering" bezeichnete (Braunschweiger Zeitung, 20. Februar 2007, Seite 21).
Und auch die SPD, die Soziale, schien sich (zuvor) immens zu engagieren für den Beibehalt die Existenz des kleinen, aber feinen Bades in Waggum , lobte sogar den Gemeinschaftssinn in Waggum (Jürgen Scharna (SPD), Geschäftsführer der Stadtbad GmbH Braunschweiger Zeitung, 6. Juni 2006, Seite 16).
Der Rat der Stadt Braunschweig beschließt jedoch die im Februar 2007 die "Große Lösung" für ein Spaßbad mit Schließung bestehender Bäder. Und obwohl der CDU-Bezirksbürgermeister von Waggum, Herr Kliesch, lange Jahre als 2.Vorsitzender des Fördervereins seine Beiträge zahlte hat er im Rat trotzdem gegen den Erhalt der Bäder gestimmt. 30.000 Unterschriften aus den Reihen engagierter und interessierter Menschen, die Bedenken gegen diese Lösung hatten, wurden einfach übergangen. Bezirskbürgermeister Kliesch und Sozialdemokrat Scharna verstummten zusehends.
Dem Oberbürgermeister, der Große Lösungen überblicken und realisieren möchte, fehlt offenbar auch der Weitblick, so forderte er von der verärgerten Bürgerschaft, sie solle doch Kuchen... nein, das war jemand and'res, der Herr Hoffmann forderte, die Leute sollten doch erst einen Verein gründen, dann wolle man die Sache nochmals einer Überprüfung unterziehen. Dabei bestand seit dem 14. März 2011 der allseits bekannte Förderverein "Schwimmbad Waggum e.V.". Das hatte der Meister aller Bürger wohl im hohen Rathausturme nicht mit bekommen. Dafür aber große Wellen schlagen!
Für die "Gemeinheit" sollte nun viel Geld eingespart werden, man brauchte das Geld ja dringend, hatte man doch gerade eine Spaßgöttin mit einem Volkswagenmodell, welches noch nicht mal fahren konnte, für den allgemeinen Spaß der Bevölkerung in Polen bestellt. Dann schickte man den SPD-Mann Scharna vor, der sollte es der Menge mitteilen. "Das Freibad Waggum ist in die Jahre gekommen. Es ist fertig." (Braunschweiger Zeitung, 18. September 2008, Seite 24). Hat er auch brav gemacht, der Sozialdemokrat. Hat aber der Partei geschadet.
Der SPD-Ortsverein für Dibbesdorf, Schapen und Volkmarode wurde da schon deutlicher und rief: "Wahlversprechen glatt gebrochen",
Denn die SPD hatte 2006 in ihrem Wahl-Leitbild die "dezentrale" Versorgung mit Schwimm- und Sportstätten dem Wahlvolk unterbreitet.
Dazu kam noch, obwohl man sich hier ahnungslos, teils kämpferisch gegeben hat, dass bereits am 25. Januar 2005 war nämlich im Amtsblatt der Europäischen Union einWettbewerb für den Neubau des Freizeitbades in Braunschweig ausgeschrieben worden war.
Die politische Salonfähigkeit dieser Spaßbader gewann also an Fahrt.
Sollten die Waggumer und alle anderen Freizeit- und Schwimmfreunde letzten Endes gar nicht wissen, was Spaß eigentlich ist? Wollte man sie also zu ihrem Spaß zwingen?
Dr. Hoffmann:
"Natürlich ist Zwang auch als eine Methode zur Erreichung eines positiven Zweckes immer nur das letzte Mittel." Und es sieht so aus, als täte dieser Bürgermeister eben genau das, nämlich das Letzte..."
- wenn nicht auch das Allerletzte.
Auch die Schließung des Waggumer Freibades nach Eröffnung des Spaßbades sollte noch einmal überprüft und möglichst auch rückgängig gemacht werden. Allein das Engagement vieler Bürger zum Erhalt dieses Bades ist es wert, sich dafür
einzusetzen. Trotz ihres Aufsichtsratsvorsitzenden der Stadtbad GmbH; Winter (SPD), sollte sich auch die SPD dafür einsetzen. Jetzt liegen die Ratsmehrheiten ja anders und man kann freiere Entscheidungen finden.
Und die Bürger sollten vielleicht mal schöne Erinnerungsfotos aus ihrer Jugend-, Ferien- und Sommerzeit, die die schönsten Badeperlen hier in Braunschweig zeigen ins Netz oder auf ihre Foren stellen, damit jeder sieht, wie wert und lieb sie uns geworden sind. Also auf zum Kramen in den analogen Fotoalben... [/size]
Gruß
Helmhut
Weitere Infos auch unter:
www.braunschweig-spiegel.de/index.php?option=com_content&view=article&id=1022:zur-diskussion-ueber-das-waggumer-schwimmbad&catid=69:politik-kategorie-stadtentwicklung
Demnächst auch zu den anderen Badespäßen und Braunschweiger Badeperlen mehr in diesem Forum...