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"Geschichtsmächtiger" Auftritt mit Viktoria-Luise

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12 Jahre 3 Monate her #8455 von Ulenspiegel
2013 - Ein Jahr der Aufbrüche - Oder reanimierte Rückständigkeit?

Martin Jasper schrieb bereits vor einigen Wochen in der Braunschweiger Zeitung unter dem Titel "[url=http://www.braunschweiger-zeitung.de/kultur/buecher/1913-es-war-ein-voellig-ueberdrehtes-jahr-id850786.html
]1913 - „Es war ein völlig überdrehtes Jahr[/url]“ über das kürzlich erschienene Buch "1913" des Journalisten Florian Illies und fragte sich: "Ein Jahr, das in Braunschweig groß gefeiert wird. Ein Jahr der Aufbrüche, auch hier?"

Wie man erinnert, so auch das Image


Schon bei der Exhumierung Ottos im "Otto-Jahr" fraglich -
die Marketinglichen Königsmacher
(Cartoon by Ulenspiegel)

Fragt sich hierbei nicht auch, ob die Art und Weise, wie die Stadt und das Stadtmarketing diese "Rückerinnerung auf 1913" zu feiern gedenkt, ebenfalls rückständig ausfallen kann? Erst gestern musste man feststellen in einem nB-Hinweis der vorgesehenen Feierlichkeiten und Inhaltsstellungen, ob man wirklich die im Motto vorgesehene "Moderne" genügend berücksichtigt und ob man nun das Motto auch verändert hat, in dem es nun heißt "1913/2013 - Ein Jahr für ein Jahrhundert". Das verschiebt doch die Herangehensweise wesentlich, wie ich meine.

Jasper schreibt in der Braunschweiger Zeitung: Der Journalist Florian Illies hat ein sehr kluges, unterhaltsames und allseits hochgelobtes Buch geschrieben. Es heißt schlicht „1913“ und beschreibt dieses Jahr, als gäbe es kein Morgen. Als folgte ihm kein 1914. Als würde nicht im Jahr darauf die Welt untergehen. Wir Leser wissen das natürlich, aber Illies tut so, als wüsste er es nicht. Das macht den morbiden Charme dieses Buches aus..."

Kann man 1913 feiern und den folgenden Krieg verschweigen?

Ja, man möchte und kann. Aber ob das gut fürs Stadtimage ist?
Braunschweig steht bislang immer noch in dem Ruf, ziemlich braun gewesen zu sein zu Adolfs Zeiten, ja, ihm selbst den Boden zur Einbürgerung bereitet zu haben. Zudem ist unser OB selbst vorbelastet, um es mal dezent auszudrücken.

Diesem Ausklammerungs-Prinzip Ilies, so wissen wir, möchten Oberbürgermeister und Stadtmarketing offensichtlich ebenfalls folgen. Was für einen Journalisten, der ein unterhaltsames Buch verkaufen möchte, noch nützlich sein mag, wird einen Stadtchef und politisch agierenden Person als auch die Stadt mit ihrem Umgang mit der Historie schädigen bzw. befremdlich wirken lassen.

Selbst Illies Schilderung über den Aufbruch der Moderne in der Kunst, des Nachtlebens, Autoren wie Kafka und Thomas Mann und andere Portraits der Gesellschaft, sucht man in Braunschweigs Palette der Events vergeblich. Es wird sich auffällig zahlreich auf die Herzogshochzeit, auf alte Musik und auf das gefällige elitäre Lager konzentriert. Arme Leute, soziale Missstände, Aufbruch in neue gesellschaftliche und politische Regionen kann man mit der Lupe suchen.

Rückständiges Braunschweig

„Braunschweig war damals rückständig“ - heißt es im Artikel der Braunschweiger Zeitung - "Und der Krieg? Halb so wild. ...
Der in Braunschweig geborene, in Gifhorn als Geschichtslehrer tätige Andreas Matthies wies jüngst in einem Aufsatz darauf hin, dass das Herzogtum in vielen Belangen – ungerechtes Wahlrecht, mangelnde Gleichberechtigung der Frauen, Unterdrückung der Sozialdemokraten – rückständig war.

Wir sind das Volk - schon damals!

Da kommt es auf Differenzierung an, nicht der Braunschweiger an sich war es, es war die Doktrine ihrer Führungskräfte und das Festhalten der Bürgerkreise an altem Herzogsuntertanentum. Das kann leicht nachgewiesen werden. Allerdings möchte ich betonen, dass gerade in unserer Stadt damals die ersten Schritte hin zu mehr Demokratie und Mitsprache des Volkes sowie der Arbeiter unternommen wurden - und zwar durch große Teile der Stadtbevölkerung selbst. Es gäbe also wesentlich zu feiern als einzig die Hochzeit derjenigen, von denen das Volk die Schnauze gehörig voll hatte - knapp ein Jahr später und diesem herrschaftlichen Treiben knapp 5 Jahre später ein Ende bereitete.

WIR sind das Volk - schon damals! Aber das brach erst zur Novemberrevolution aus im Jahre 1918. Und daraufhin trat auch einen Tag später der deutsche Kaiser zurück. Aber genau darüber will ja die "Herzogshochzeitsfeier 1913" nichts verlauten lassen. Das Volk darf nur zum "Hochzeitsbrunchen", Bürgerbrunch für diesjahr ausgesetzt!

"Aus Braunschweiger Sicht ist Illies’ Buch freilich enttäuschend." -schreibt Jasper. "1913 soll doch hier 100 Jahre später groß gefeiert werden. Anlass: Die Hochzeit zwischen Kaisertochter und Welfenherzog in Berlin, welche dem Land Braunschweig wieder ein Regentenpaar bescherte. Diese Hochzeit taucht nur kurz auf in dem Buch. Die erste Erwähnung besteht aus einem lapidaren Satz: „Die preußische Kronprinzessin Viktoria Luise und Ernst August von Hannover küssen sich im Januar zum ersten Mal.“

Das damalige Berliner Tageblatt: „Es liegt in der Natur der Dinge, dass derartige persönliche Berührungen auch auf die politische Haltung der Kabinette abfärben, wenn auch nur in dem Sinne, dass auf allen Seiten der Friedenswille noch etwas schärfer akzentuiert wird.“

:ohmy: Was aus diesem geschärften Friedenswille wurde, wissen wir. Der erste Weltkrieg und danach - aus ähnlichen Gründen - noch ein zweiter, ein noch verheerender.

Braunschweig kommt gar nicht vor

Ach ja, und der Name „Braunschweig“ kommt in dem gesamten Absatz über die Berliner Trauung nicht vor, schreibt Jasper weiter. "Für Florian Illies ist Braunschweig im Jahr 1913 offenbar nicht wichtig". War es das für Braunschweig?

Und so resümiert auch Jasper am Ende seines Beitrages: "1913, ein Jahr der Aufbrüche? In Braunschweig wohl kaum."

Schau' ich auf 2013 und diese reanimierten Hochzeitsfeierlichkeiten von 1913 , fragt sich, wohin wir da eigentlich aufbrechen sollen? Was feiern wir da eigentlich?

:P Klug, und auch besonders gewitzt wäre es, wenn es den Braunschweigern, Kulturschaffenden, berufenen Historikern und Politikern gelingen würde, sich das Thema 1913 so zurück zu erobern, wie damals - den Bürgern und nicht dem Adel oder dem OB gewidmet...

denkt sich
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12 Jahre 2 Monate her #8604 von Ulenspiegel
Es hat niemand die Absicht...

Man erinnere sich, Oberbürgermeister Gert Hoffmann stellte vor kurzem noch klar:
„Es geht nicht darum, eine Hochzeit zu verklären. Es geht um die geschichtliche Bedeutung des Jahres 1913 für das Land und um die Folgen.“ Er erkannte Positives an der aktuellen Debatte: „Das ist gut. Sich mit Geschichte zu befassen, ist spannend und wichtig.“

Dazu freute er sich und lobte, dass sich Braunschweiger Kulturschaffende mit der wirklichen Historie beschäftigen und auch am Projekt beteiligen wollten, dass dies möglich sei, habe "er nicht für möglich gehalten!".

Und Anke Kaphammel (CDU) erklärte, dass die Welfenhochzeit lediglich der „identitätsstiftende lokale Anlass im Kontext der vielen europäischen Ereignisse im Jahr 1913“ sei, die alle beleuchtet werden müssten. (Quelle: Braunschweiger Zeitung )

Daraus ergab sich bei mir die Frage, welche Identität will Frau Kaphammel denn da (an)stiften will?

Nun müssen wir aus dem Finanzausschuss folgendes vernehmen:

... die Projekte freier Träger zu behindern ...

Aus dem Protokoll der BiBS:

Finanzausschuss 31.01.2013

"Abschließend stimmt der Ausschuss der "zwingenden Ansatzveränderung" zu, 100.000 Euro, die ursprünglich für Projekte freier Träger im Rahmen des "Kulturprojektes 1913-2013" gedacht waren, für Marketingzwecke dem Braunschweiger Stadtmarketing zu geben."
--> Angenommen mit den Fürstimmen von SPD und CDU bei Enthaltung der Piraten sowie Gegenstimmen von BIBS und Grünen.

www.bibs-fraktion.de/index.php?id=333

B) ffenbar hat man jetzt doch kalte Füße bekommen, dass Bevölkerung und kritische Kulturschaffende einen aufschlussreichen Kontrapunkt zur Adelsverehrung auf die Beine stellen könnten. Ach ja, schade, dass ausgerechnet die Sozialdemokraten das auch noch befürwortet haben. Hatten nicht gerade DIE besonders unter der Kaiserzeit zu leiden, was sich im Dritten Reich natürlich fortgesetzt und zahlreichen Sozis das Leben gekostet hat? Oder möchte sie bloß nicht an ihre eigenen Leiden oder Versagen erinnert werden? Peinlich, peinlich das!

:unsure: Noch öfter beweisen, wie gut sie des Umkippens und der Schädigung ihrer eigenen Glaubwürdigkeit fähig ist, muss die SPD wirklich nicht mehr...

meint
Ulensp!egel

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12 Jahre 2 Monate her #8846 von Ulenspiegel
Sind wir nicht alle ein bisschen Papst? Kaiser?


(Screenshot braunschweig.de/1913)

"Die Küche der "Löwenkrone" bietet die Möglichkeit, sich beim Essen so zu fühlen, als wären die Zuhörer selbst Gäste des Kaiserhauses".

Die Stadt gibt alles über "das große Kulturprojekt 1913“: im Internet unter www.braunschweig.de/1913

Man könnte auch sagen, einen in der Krone haben, macht noch keine Kultur...

überlegt

Ulenspiegel

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