"Unser Oberbürgermeister Gert Hoffmann übertreibt es ein wenig, aber schließlich ist es ja auch seine Aufgabe, dass man über Braunschweig spricht. Das muss man doch..."
“Und eine Stadt, die sich mit ihrer Geschichte nicht auseinandersetzt, macht einen schweren Fehler. Vor allem, wenn sie eine derartige Geschichte hat. [...]
Und hier war es, wo die Völkermörder als Erstes den Fuß in die Tür bekamen, weil die Monarchisten und die Demokraten gleichermaßen versagt hatten. Die Banalität des Bösen hatte, wenn man so will, in Braunschweig einen Dietrich".
"Man stellt sich ihr und jenen, die feuchte Augen bekommen, wenn ihnen auch heute noch ein Herzog die Hand schüttelt.
Die Auseinandersetzung mit Geschichte ist letztlich unser Nachdenken über uns selbst – und eben nicht nur über Vergangenheit."
“Christoph Stölzl hat vollkommen Recht, wenn er sagt, dass niemand 1913 wissen konnte, was wirklich kommt. Und er hält uns den Spiegel vor: Auch wir konnten bis zum November 1989 und bis zum September 2001 nicht wissen, was wirklich kommt."
"Von Mahlers Sinfonien bis hin zum Willy-Brandt-Platz trägt das Thema wohl nicht unbedingt.
Lächerlich wäre es, wenn es um Jubel für die Operettenhochzeit am Abgrund von 1913 tatsächlich keinen Streit gäbe".
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»Sie wurden hinweggefegt, ohne irgendetwas zurückzulassen, weil sie doch zu große Nullen waren.« (Exgroßherzog Ernst Ludwig von Hessen über die Entthronung seiner bundesfürstlichen Kollegen)
Hätte der Großherzog von Hessen in dem eingangs zitierten Ausspruch »wir« statt »sie« gesagt, so hätte ein bemerkenswert selbstkritisches Zeugnis kollektiven Versagens diese Darstellung eröffnen können.
Wenn aber der deutsche Herrscherstand bis weit ins 20. Jahrhundert hinein eines nicht leiden konnte, dann das, was einer seiner Vertreter sich hier herausnahm: offen auszusprechen, was die Kronenträger ihrem menschlichen wie politischen Format nach tatsächlich wert waren.
Sie wollten der Gesellschaft immer sehr viel mehr wert sein. Woher sie diesen Anspruch nahmen? Nun, in erster Linie aus dem Wähnen, von Hause aus beziehungsweise von Geblüt etwas weit Besseres zu sein als der Rest der Gesellschaft. Dann aber auch, weil sie glaubten, die politische Weltordnung mit einem heiligen Prinzip beglücken zu müssen, auf das sie allein volles Prägerecht besaßen, das monarchische.
Bis 1918 figurierte dieses Prinzip als das gottgewollte Privileg, das einen engeren Kreis von Fürsten zu souveränen Trägern der Staatsgewalt bestimmte und einem ehernen Eigentumsrecht an königlicher Macht gleichkam. Mehr als zwanzig Herrscherhäuser waren im Deutschen Kaiserreich die Nutznießer. Als im Herbst 1918 der gewaltige Machtschutz um dieses Privileg brüchig zu werden begann, liefen die monarchischen Prinzipienreiter fast alle davon. Kein stolzes Opfer, keine Aufwallung von herrischem Blut - um die Topoi des zeitgenössischen Monarchismus zu bemühen. Zurück blieb das verwaiste Prinzip, das die politischen Konkursverwalter der Monarchie folgerichtig außer Kraft setzten. Deutschland war nun eine demokratische Republik.
Im Sommer 1919 schrieb der vormalige Großherzog Friedrich II. von Baden einen Brandbrief an König Georg V. von Großbritannien und Irland. Sie sollte das »unerhörte Schauspiel einer Gerichtsverhandlung gegen Seine Majestät den deutschen Kaiser in London« verhindern, wollten sie nämlich auch sogleich den vermeintlichen obersten Kriegsverbrecher, den deutschen Exkaiser Wilhelm II., in einem Schauprozess öffentlich zur Rechenschaft ziehen.
Zur Rettung vor dieser Gefahr wollte Friedrich seine warnende Stimme erheben, und zwar nicht als Privatperson, sondern im Namen aller ehemaligen deutschen Bundesfürsten, um »dem durch Jahrhunderte geheiligten, von uns mit Bewusstsein seines Wertes verfochtenen monarchischen Gedanken« einen Dienst zu erweisen.
Jahrzehntelang hatten die deutschen Fürsten in der Tat den monarchischen Gedanken über alles andere gestellt und immer wieder öffentlich beglaubigt. Doch als sie ihren Royalismus erstmals durch entschiedene Verteidigungsbereitschaft, ja Kampf bekennen mussten, zogen sie es vor zu resignieren. Sobald soziale Unruhe ausbrach, flohen die meisten aus ihren Residenzen, dankten larmoyant ab, waren zutiefst beleidigt.
»So, so - na da macht euern Dreck alleene! «, soll der sächsische König seinen republikanischen Widersachern hinterhergerufen haben.
Auch hatte niemand von ihnen jemals ernstlich daran gedacht, sich schützend vor den Thron ihres Primus, Kaiser Wilhelm II., zu stellen. Im Gegenteil, die meisten seiner hohen Bundesgenossen weinten ihm keine Träne nach; gar mancher wäre ihn am liebsten schon einige Wochen vor seiner Flucht losgeworden. Was aus diesem jammervollen Szenario folgte, war eine fast lautlose Implosion des gesamten monarchischen Systems, die Deutschland nicht nur ein abgedanktes Kaiserhaus, sondern einen wahren Dynastienfriedhof hinterließ. Wer ihn betrat, hätte sich allerdings nicht retten können vor Grabinschriften voll postumer Selbstverklärung.
Von Behauptungswillen keine Spur, sodass sich unwillkürlich die Frage aufdrängt, warum das so war. Was stürzte die Monarchen in Deutschland derart ins Verderben, dass sie sich am Ende vor allem ihrer selbst nicht mehr sicher waren? Wie gerieten sie in jenen Zustand der Demoralisierung, der es ihnen unmöglich machte, auch nur den geringsten politischen Behauptungswillen zu mobilisieren?"
Diese Selbstentkrönung der deutschen Fürsten war die Folge, dass man sich einer "großen Illusion, eines Mythos beraubt fühlte. Des Wunschdenkens, dass ihre hochadeligen Herrscher tatsächlich das wären, was sie zu sein vorgaben, so wie sie es ihnen jahrelang eingeredet hatten: eine von Gott eingesetzte und persönlich geleitete Macht von höchstem geistigen und charakterlichen Format, der man sich getrost anvertrauen könne.
Dieser Schmerz saß nach dem unrühmlichen Ende des Kaiserreichs bei vielen Menschen sehr tief, machte sie (therapie)bedürftig und trug schließlich zum unglaublichen Aufstieg eines Mannes namens Hitler bei, dem es binnen kurzem gelang, zu einem ganz neuen Typus von politischem Hoffnungsträger zu werden - nicht zuletzt als Regisseur von schönem Schein und Talmiglanz. Mit der kaum zu beschönigenden Tatsache ihres Nichtstuns in der schwersten Krise des Reiches lieferten die Entthronten Hitlers Alleinanspruch auf die Führung des Volkes eines der stärksten politischen Argumente. Und sie bestärkten die Massen seiner Bewegung in ihrer zum Teil fanatischen Ablehnung der monarchischen Vergangenheit. In den Worten eines Grafen, der genau deshalb schon beizeiten zum Nationalsozialismus fand: »Sie hatten mit eigenen Augen nichts geschaut, was ihnen Liebe und Ehrfurcht eingegeben hätte, sie sahen nur selbst den Zusammenbruch eines Systems, das nicht einmal im Tod Größe aufbrachte, nicht einmal über die Kraft verfügte, heroisch zu sterben, sondern das innerlich zerbrochen und entnervt beim ersten Pistolenschuss die Posten verließ, die sie von Gottes Gnaden erhalten zu haben vorgegeben hatten. «
Es ist gewiss auch kein Zufall, dass die personale Treuebindung an den Monarchen, die bis 1918 der sogenannte Staatsbürgereid festgeschrieben hatte, ausgerechnet in Gestalt des Führereides in die politische Kultur zurückkehrte. Die Folgen sind bekannt.
Die Monarchie in Deutschland wurde 1918 nicht mit Brachialgewalt gestürzt, sondern sie starb (mit ein wenig Nachhilfe) eines natürlichen Todes. Das lag nicht sosehr an der unvergänglichen Liebe des Volkes zu seinen entthronten Landesvätern und auch nicht am massenhaften Fortbestand monarchistischer Überzeugungen, sondern daran, dass die Menschen in ihre gekrönten Häupter etwas hatten hineinprojizieren können, wofür sich die profanen Häupter der ersten deutschen Republik ganz und gar nicht eigneten.
Wie sollte Deutschland zur Modernität finden, solange seine große Politik sich derart archaisch an einem Herrschaftsmodell orientierte, das - personell betrachtet - ein einziges Macht- und Geistesvakuum war? Warum sollte das Land sich noch Herrscher leisten, die ihre herausgehobene Existenz auf Kosten der Wahrheit und der Zukunft fristeten? ...
Der erste von insgesamt neunzehn leibhaftigen Monarchen, die das Gespenst der deutschen Revolution im November 1918 aus ihren Residenzen verscheuchte, war zugleich deren jüngster: der dreißigjährige Herzog von Braunschweig und Lüneburg,
Ernst August aus der Dynastie der Welfen, Schwiegersohn des deutschen Kaisers Wilhelm II. Fünf Jahre und sieben Tage hatte Ernst August die Herrscherkrone tragen dürfen. Dann war es urplötzlich mit seiner Hoheitsgewalt vorbei. Am Freitag, den 8. November zog in den Vormittagsstunden eine mehrtausendköpfige Menge mit roten Fahnen vor das Braunschweiger Stadtschloss. Bewaffnete Matrosen hatten schon am Vorabend die Schlosswache mit Trommelwirbel abgelöst. Jetzt wurde unter dem Jubel der Massen die herzogliche Fahne eingeholt und an ihrer Stelle das rote Banner als Emblem des Machtwechsels gehisst. Redner ließen die Republik hochleben.
Einige Stunden später erschien eine Delegation des Braunschweiger Arbeiter- und Soldatenrates erneut in der Residenz, wo sie sofort zum Schlossherrn vorgelassen wurde.
Mitgebracht hatte sie ein schlichtes Schriftstück, auf dem zu lesen stand:
»Ich, Ernst August, Herzog von Braunschweig und Lüneburg, erkläre, dass ich für mich und meine Nachkommen auf den Thron verzichte, und die Regierung in die Hände des Arbeiter- und Soldatenrates lege.«
Der Arbeiterführer Anton Merges erklärte dem Monarchen, dass er dieses Dokument im Auftrag des Volkes vorlege. Über die Unterzeichnung habe er sich unverzüglich schlüssig zu werden, im Verweigerungsfall werde er abgesetzt. Der Bedrängte bat um Bedenkzeit, die er zur Rücksprache mit seiner Gattin und seinen Ministern nutzte.
Zwanzig Minuten später kehrte er mit der Unterschrift zu den Wartenden zurück, die sich inzwischen aus dem Zigarrensortiment des Wartesaales bedient hatten. Es sei ihm eine Erleichterung, die Verantwortung abzugeben, soll der soeben Entthronte den neuen Machthabern bedeutet haben. Dann empfahl er sich - auf sein Privatschloss nach Blankenburg am Harz.
Dieses Gefühl einer inneren Befreiung scheint echt gewesen zu sein. Denn am Tag darauf, als auch die Reichsmonarchie endgültig kollabierte, brachte Ernst August sogar seine »Freude über den Zusammenbruch« zum Ausdruck. Das berichtet sein Schwager, Prinz Max von Baden, der letzte Kanzler des Deutschen Kaiserreichs. In dessen Sonderzug konnte sich die Familie des Herzogs noch am Abend des 9. November nach Süddeutschland und wenig später nach Österreich absetzen, wo sie fortan glücklich auf den Besitzungen des Welfenoberhauptes weiterlebte."
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2013 steht das Kulturangebot der Stadt Braunschweig ganz im Zeichen des Jahres „1913“ – neben Daten wie dem 200. Geburtstag Richard Wagners und dem 100. Geburtstag Willy Brandts wird der thematische Schwerpunkt in der Löwenstadt auf einer Hochzeit liegen. Braunschweigs Oberbürgermeister Dr. Gert Hoffmann hat nun das Jahresprogramm vorgestellt. Informationen dazu von Luca Schuldt.
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Das ist ja ein echter Hohn: da wird aus einem traditionsreichen Bürgerbrunch, ein Adelshochzeitsbrunch gezaubert !"...Sogar der sonst ziemlich unpolitische Bürgerbrunch am 2. Juni wird zum "Hochzeitsbrunch 1913-2013"...."
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