"Beamtenbeleidigung"?
Frau M. hat ein Heimspiel der Eintracht besucht, welches die Eintracht beim Spiel gegen Dresden 0:1 verloren hat, berichten die rechtskundigen Redakteure der Braunschweiger und Frau M. bekam eine Anzeige wegen "Beamtenbeleidigung".
Beim Rausgehen habe sie ein offenbar betrunkener Fan angerempelt und beleidigt. Später habe er ihr aus der Straßenbahn heraus den Stinkefinger gezeigt. Sie habe ihm in ihrer Wut ebenfalls den Mittelfinger gezeigt.
Polizist B. behauptete jedoch, Frau M. sei ihm vor dem Stadion sichtlich erregt entgegen gekommen. Sie habe ihm direkt in die Augen geblickt und ihm den Mittelfinger gezeigt. Als B. die Personalien von Frau M. aufnehmen wollte, habe sie ihn zudem geduzt.
B. fühlt sich beleidigt und erstattet Anzeige. Zeugen gab keine. Beim Verfahren stand dann Aussage gegen Aussage. Die Richterin am Braunschweiger Amtsgericht wollte dagegen nicht ausschließen, dass B. den Stinkefinger irrtümlich auf sich bezogen hat, hält sie es aber auch für möglich, dass Frau M. den Beamten in ihrer Erregung geduzt haben könnte. Sollte es so gewesen sein, so die Richterin, sei diese Tat zu geringfügig, um ein Verfahren zu rechtfertigen, so die Richterin. Es wurde lediglich eingestellt, nicht vollständig fallen gelassen.
Genau so wie die rechtlich kompetenten erst kürzlich einen Braunschweiger Ratsherrn vor Verhandlung 17 Straftaten zu überführen suchten, vermelden sie jetzt eine nicht existente "Beamtenbeleidigung".
Weswegen? Fachunkundigkeit oder bewusste Irreführung der lesenden Bürger? Sollen wieder Obrigkeitshörigkeit und Untertänigkeit gegenüber Amtsträgern in Braunschweig wie zu Herzogs Zeiten installiert werden?
Fragt sich eigentlich mal jemand, was das zur Folge hat, solche Stimmungsmache gegen die Bürger und die Förderung von Allmachtswahnideen in Behördenkreisen? Wohin steuert man in Braunschweig?
Daß es diesen Straftatbestand "Beamtenbeleidigung" allerdings gar nicht gibt im deutschen Strafrecht verschweigt die Braunschweiger Zeitung. Entgegen einem weitverbreiteten Irrglauben ist das Beleidigen eines Amtsträgers an sich in Deutschland rechtlich kein besonderer Tatbestand. Es macht also keinen Unterschied, ob man zum Beispiel einen Polizisten oder eine beliebige andere Person beleidigt. Ein Beamter ist hier nicht anders gestellt als ein anderer Bürger. Es handelt sich also um eine „normale“ Beleidigung gemäß § 185 StGB.
Es gibt es sie also nicht, die "Beamtenbeleidigung" und dieses Beispiel zeigt erneut, wie es heutzutage um die fachliche Kompetenz unserer allgemein bildenden Presselandschaft bestellt ist. Hofberichterstattung und Erfüllungshilfe sind an der Tagesordnung. Und dafür zahlen viele Bürger noch freiwillig. Zur eigenen Unterdrückung, Diskriminierung und Kriminalisierung drücken sie noch Geld ab.
Da werden stinkefingerduellierende Fußballfans vors Gericht gezerrt und die Presse liefert gehorsamst Fehl-/Vorab-Verurteilungen ab. Unbescholtene Bürger, die auf demokratischen Wege ihren Protest kundtun wollen, werden in unserer Stadt gehäuft mit Verfahren überzogen und die Presse verschweigt, daß alle Verfahren wegen Geringfügigkeit haben eingestellt werden müssen, weil die Gerichte sich mit Lappalien wie diesen und auf Steuerkosten nicht befassen sollen. Und auch Ratsherren müssen Kasperiaden über sich ergehen lassen, während die Presse hechelnd assistiert und vorher diverse Straftatenlisten abdruckt, so daß der Eindruck entstehen muß, man habe einen Schwerverbrecher als Ratsherr vor sich. Der Eindruck festigt sich zudem, wenn die städtische Homepage den Ratsherrn nochmals genüßlich anprangert und vorführt und mit Häme überzieht. Als wenn das nicht schon genug wäre, wird zusätzlich die gleiche Zeitung auch noch zur Plattform für Verlautbarungen der hiesigen Justizbehörde, die sich nicht enthalten kann, das Absurdum "wer der 17 Straftaten beschuldigt wird, muß doch quasi schuldig sein" als logische Schlußfolgerung hin zu stellen. So etwas gibt's eben nur in Braunschweig. Die geschlossene Gesellschaft macht's möglich.
Einige aber haben's bemerkt und opponieren. "Da wird doch unser Rechtssystem ad absurdum geführt“, sagte Frau M.s Rechtsanwältin. Und sie ist derzeit nicht allein mit dieser Meinung.
Frau Mundvoll